Buchtipp Evolution – Neues Tempo, neuer Mensch

Evolution | Foto: AnonMuenprom/shutterstock
Die Evolution schreitet rasch voran. Der Mensch mag nicht das Gelbe vom Ei sein – trotzdem sind wir und alles, was uns umgibt, kein Zufallsprodukt …

… Zumindest, wenn es nach Prof. DDr. Johannes Huber geht, der sich mit einem besonders weiten wissenschaftlichen Horizont mit der Menschheit und dem großen Ganzen befasst. Über den Tellerrand zu blicken, gehört für ihn zum Programm.

Evolution | Foto: Lukas Beck

Foto: Lukas Beck

Der Mediziner und Theologe (geb. 1946) hatte vor seiner Tätigkeit als Gynäkologe und Wissenschaftler im Bereich der Endokrinologie  zehn Jahre lang als Sekretär von Kardinal Franz König gewirkt. 1985 begann mit der Habilitation an der Medizinischen Fakultät der Universität Wien sein bedeutender Karriereweg, der ihm die Titulierung „Hormonpapst“ einbrachte. 2001 bis 2006 war Huber Vorsitzender der Bioethik-Kommission, als Abteilungsleiter im Wiener AKH errichtete er die österreichweit erste und einzige Ambulanz für transsexuelle und Transgender-Menschen. Wir baten ihn anlässlich seiner neuen Buchveröffentlichung zum Interview:

„Den Blick aufs Ganze finden wir nicht im Hirn, vielleicht aber ein bisschen weiter unten, im Herzen.“ Würden Sie diesen Blick mit Spiritualität gleichsetzen?
Wir leben in einer immer komplexeren Welt, in der das komplexe Denken gegenüber dem linearen Denken immer wichtiger wird. Das heißt, das lineare Verfolgen von logischen Zusammenhängen bringt uns immer schwerer zu Lösungen. Um komplexe Zusammenhänge verstehen zu können, müssen wir viel mehr der menschlichen Wahrnehmungs- und Beurteilungsmöglichkeiten einsetzen, als wir sie im logischen Denken vorfinden. Spiritualität ist ein weiter Begriff, aber bestimmt gibt es Berührungen zwischen komplexem Denken und Spiritualität.

„Galileo war in Wirklichkeit tiefreligiös.“ In Ihrem Buch klären Sie über das Missverständnis rund um Galileo Galilei und die Kluft zwischen Wissenschaft und Religion auf. Halten Sie einen wissenschaftlichen Nachweis eines Weltenschöpfers, einer Gottheit, einmal für möglich?
Die Quantenphysik und andere neue wissenschaftliche Richtungen ermöglichen es uns immer mehr, das sogenannte „Unsichtbare“ wissenschaftlich einzugrenzen. So habe ich in meinem Buch „Es existiert“ gezeigt, dass es viele Übereinstimmungen zwischen dem, was wir unter Engeln verstehen, und den Photonen gibt. Beide haben keine Masse, beide kommen aus dem Hintergrund des Weltalls und für beide existiert der Faktor Zeit nicht. Trotzdem bin ich ganz und gar sicher, dass ein endgültiger Nachweis eines Weltenschöpfers durch uns Menschen mit der Ausstattung, die unser Gehirn derzeit hat, niemals möglich sein wird.

Bei der Entstehung der Welt glauben Sie nicht an Zufall. Gibt es für Sie generell keine Zufälle?
Beim Urknall waren alle Informationen über die Entwicklung der Welt, aber auch über die Entwicklung der Menschheit und über jeden Einzelnen von uns bereits angelegt. Man könnte das als einen großen Schicksalsbogen bezeichnen. Tatsache ist aber auch, dass wir innerhalb dieses Schicksalsbogens Möglichkeiten vorfinden, uns selbst durch eigene Anstrengung und eigene  Willenskraft weiterzuentwickeln, bessere Menschen zu werden, über uns hinauszuwachsen. Innerhalb dieses Wollens und Strebens gibt es sicherlich etwas, das wir als Zufälle bezeichnen können, wenn wir das wollen, das aber letztlich auch von der Kraft unseres Willens bestimmt wird.

„Warum soll man dem Tod einen Vernichtungscharakter einreden, anstelle ihn als bloßen Kostümwechsler zu sehen?“, fragen Sie in Ihrem Buch. Die Frage der Wiedergeburt liegt hier nahe, erscheint Ihnen aber nicht als Option?
Die Wiedergeburt ist ein Thema, das sich viele Religionen zu eigen gemacht haben, und an das viele Menschen glauben und glauben wollen. Ich denke nicht, dass es eine Wiedergeburt in dem Sinne gibt, dass wir als Menschen in der gleichen Gestalt auf die gleiche Welt kommen, in der wir bisher gelebt haben. Ich finde, das ist eher ein egoistischer Gedanke, der vor allem aus der Angst vor der Endlichkeit unseres Daseins geprägt ist. Als Theologe und Mediziner stelle ich aber doch fest, oder kann das eben auch wissenschaftlich eingrenzen, dass der Tod eine Art Gütertrennung darstellt, dass also die Materie wegfällt, und etwas Körperloses, die Seele, bleibt, und dass es somit eine Form des Weiterlebens gibt.

„Das Prinzip des Bösen entsteht durch einen Mangel an Balance“, schreiben Sie. Viele Menschen konstatieren eine aus der Balance geratene Welt. War sie denn jemals in Balance?
Überall dort, wo ein System aus der Balance gerät, sei es ein politisches, ein ökologisches System oder auch das physiologische System des Menschen, dort hat das Böse die Möglichkeit, sich festzusetzen und es von außen und von innen anzugreifen. Das ist die These, die ich in meinem Buch erhebe und erhärte. Dies ist in vielerlei Hinsicht nachvollziehbar und erkennbar, wenn es zum Beispiel in einem politischen System immer mehr Reiche und immer weniger Arme gibt, dann gerät es außer Balance, und dann wird sich das Böse in Form von Gewalt, in Form von Hass und Wut dort festsetzen.

Wenn wir ein ökologisches System mit Chemie überschwemmen und es so aus der Balance gerät, wird auch dieses System kippen, dann werden dort die Pflanzen und Tiere sterben und am Ende werden wir Menschen darunter leiden. Wenn ein Mensch aus der Balance gerät, psychologisch, in dem er zum Beispiel gemobbt wird, oder gesundheitlich, wenn er sich  extrem einseitig ernährt, dann wird sein System ebenfalls aus der Balance geraten und dann wird sich das Böse dort in Form von Krankheiten festsetzen und dem Menschen schaden oder ihn gar töten.

„Früher vollzog sich Wandel in einer anthropologisch vernünftigen Geschwindigkeit, mit der die Evolution des Homo sapiens Schritt halten konnte.“ Dass das heutige Tempo zu hoch ist, steht außer Frage, aber: War es nicht immer so oder so ähnlich?
Sie haben vollkommen Recht, dass die Menschheit immer einem Wandel unterlegen ist. Allerdings ist es so, dass sich dieser Wandel exponentiell beschleunigt. Zwischen der Erfindung des Pflugs und des Traktors ist ungleich viel mehr Zeit vergangen als zum Beispiel zwischen der Erfindung des Telefons und des ersten Smartphones.

Diese Beschleunigung nimmt ständig zu und das belastet den Menschentypus, den wir derzeit kennen. Ich nehme als Reproduktionsmediziner allerdings auch wahr, dass die Evolution derzeit einen Sprung macht und dass jetzt ein Menschentypus entsteht, beziehungsweise dass jetzt Menschen auf die Welt kommen, die mit dieser Beschleunigung viel besser umgehen werden als wir, die wir es noch gewohnt waren, dass Dinge sehr lange gleich bleiben.

Was dürfen wir im nächsten Buch erwarten?
Das nächste Thema, dem ich mich widmen werde, ist das Schicksal. Was ist das? Woher kommt es? Wer macht es? Und wie nehmen wir es in die Hand? Das interessiert mich vor allem als Mediziner, weil wir durch aktuelle Forschungsergebnisse feststellen, dass das Schicksal psychologische und biologische Komponenten hat, die von uns selbst, beziehungsweise unseren unmittelbaren Vorfahren und unserer Umwelt beeinflusst werden.

CLAUDIA RIEF-TAUCHER

BuchtipEvolution p

Johannes Huber
Woher wir kommen. Wohin wir gehen.

Das neue Buch des Mediziners,Theologen und Bestsellerautors Prof. DDr. Johannes Huber (edition a) beschäftigt sich laut Untertitel mit nichts Geringerem als der„Erforschung der Ewigkeit”. Die ganz großen Themen der Menschheit im Fokus des Bestsellerautors.
www.drhuber.at

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