Cádiz: Alles, nur keinen Stress

Cadiz: Alles, nur keinen Stress
Die Luft innerhalb der Stadtmauern von Cádiz riecht nach Meersalz, Sonne, frittierten Tapas – und Dauerurlaub. Kein Wunder, denn in Europas ältester Stadt ticken die Uhren langsamer als gewohnt. In diesem Sinne: Vámonos!

Eine ewig alte Stadt in Andalusien, umgeben von hoheitsvollen Stadmauern und kilometerlangen Sandstränden, vom rauen Atlantik umspült. Klingt eigentlich nach einem Touri-Hotspot. Und doch: Massentourismus sucht man hier vergebens. Nein, Cádiz ist kein typisches Ferienziel. Im Gegenteil: Außer Kennern und erfahrenen Gourmets aus aller Welt verirren sich verhältnis­mäßig wenige Urlauber hierher. Vielleicht, weil die Stadt etwas abseits der standardmäßigen Andalusien-Reiseroute liegt.

Cádiz - Genovés-Park

Grüne Oase: Direkt neben dem historischen Zentrum der Stadt versteckt sich der Genovés-Park, unter Locals auch bekannt als „Paso del Perejil” (Petersilien-Promenade).

An ihrem touristischen Schattendasein stört sich die älteste durchgehend bewohnte Stadt Europas keineswegs – was einen Besuch umso angenehmer macht: Die Atmosphäre ist pur und authentisch, man taucht direkt ins relaxte Lebensgefühl ein. Das Vintage-Flair ist kein Marketing-Gag, sondern echt. Billiggastronomie mit Massenabfertigung und Touri-Menüs? Fehlanzeige. Stadtführern zufolge gibt es hier kein einziges Touristenlokal.

Wer nach Cádiz reist, bekommt ausschließlich unverfälschtes, andalusisches Essen serviert. Unverfälscht und vor allem ansteckend ist auch die immense Gelassenheit der „Gaditanos“, der Einwohner von Cádiz. Ob in den Bars und Cafés der entzückenden Altstadt oder am kilometerlangen Sandstrand La Caleta – das Gefühl, als würde hier jeder nur Urlaub machen, wird man in dieser Stadt einfach nicht los.

 

Fang das Licht

300 Sonnentage im Jahr dienen den ­Locals in jedem Fall schon mal als Gute-Laune-Basis. Dazu kommt aber noch die Art des Lichts, die Cádiz umgibt – es ist fast unwirklich hell, als würde die Stadt von Scheinwerfern oder mehreren Sonnen angestrahlt werden. Lichttherapie vom Feinsten, und das zum Nulltarif. Am besten konsumiert man die glücklich machenden Sonnenstrahlen in einem der Lokale nahe der Strandpromenade, mit Blick aufs Meer, die bunten ­Fischerboote und gut gelaunte Andalusier, die dem süßen Leben frönen.

Apropos süß: Reicht das Licht in Cadíz noch nicht aus, um stimmungsmäßig auf Wolke sieben zu landen, tun’s vielleicht die Süßigkeiten, die in den hiesigen Pastelerías kreiert werden. Aber Achtung: So niedlich die Naschereien auch aussehen mögen, so übertrieben süß und klebrig sind sie auch.

 

Cádiz - Castillo de San Sebastián

Über der zerklüfteten Küste von La Caleta thront das Castillo de San Sebastián. Die ehemalige Festung dient heute als Veranstaltungsort und beherbergt das Meeresforschungslabor der Universität.

Heiß und fettig

Mit Kalorienzählen sollte man in Cádiz sowieso besser pausieren. Südspanier lieben Essen und Trinken in rauen Mengen, und von leichter Küche hält man vor Ort wenig. Auch wenn man mit Frittiertem nicht unbedingt noble Küche assoziiert – Prinzipien darf man hier getrost vergessen. Soll heißen: Wer in Andalusien „Freidurías“ verschmäht, ist selbst schuld. Knusprig gebackener, frischer Fisch und Meeresfrüchte, ganz simpel in Papierstanitzel serviert, getoppt mit Knoblauchmayonnaise – herrlich ehrliches Soulfood, das einem im Nu ein Lächeln auf die vom Fett glänzenden Lippen zaubert. Nicht umsonst pilgern Jahr für Jahr Gourmets aus aller Welt nach Cádiz. Ob frittiert oder nicht – typisch für Spanien sind Tapas, kleine Appetithäppchen, die man gern in Bars an Stehtischen zu Bier oder Wein kombiniert.

Praktisch, denn dank der kleinen Portionen kann man sich locker quer durch die Karte kosten. Unbedingt probieren sollte man die Tortillitas de Camarones, eine Art Krabben-Kartoffelpuffer und Mojama de Atún, luftgetrockneten Thunfisch. Tapas-Bars gibt es in Cádiz an jeder Ecke, den originellsten Einblick in die heimische Kulinarik bekommt man in jedem Fall am Mercado Central, wo man neben regionalen Lebensmitteln und dem Fang des Tages auch gastronomische Stände mit vielen Köstlichkeiten findet.

 

Ewig alt

Die Geschichte von Cádiz reicht bis ins Jahr 1.110 v. Chr. zurück, als die Phönizier die damals noch vom Festland losgelöste Inselzunge im Atlantik zur Lagerung von Edelmetallen nutzten. Mit der Erforschung der Neuen Welt etablierte sich Cádiz als einer der bedeutendsten Seehäfen Spaniens. Die Altstadt, die heute noch großteils von einer bis zu 15 Meter hohen Befestigungsanlage umgeben ist und 36.000 Bewohner zählt, befindet sich im Herzen der Halbinsel. Sightseeing-Highlight ist definitiv die direkt am Meer gelegene Kathedrale. Das aus dem 18. Jahrhundert stammende Bauwerk trägt die Handschrift verschiedenster Architekten – was in einem Stilmix aus Barock, ­Rokoko und Neoklassik resultiert.

Cádiz - Setenil de las Bodegas

Definitiv einen Abstecher wert: das in einem Felsental versteckte Dorf Setenil de las Bodegas im Norden der Provinz Cádiz.

Im Gegensatz zu populären andalusischen Städten wie Córdoba oder Sevilla hat Cádiz ansonsten keine wirklich weltberühmten Bauwerke zu bieten, jedoch ist allein die Altstadt mit ihren pastellfarbenen Fassaden, verglasten Balkonen (zum Schutz vor Winterstürmen), Türmen und Kuppeln ein Augenschmaus. Den besten Ausblick über die Stadt genießt man vom höchsten Turm, dem Torre Tavira, der 1805 als Aussichtspunkt für die Seeschlacht von Trafalgar diente und heute neben einem Museum eine Camera obscura beherbergt.

 

In der Ruhe liegt die Kraft

Cádiz’ Entspannungs-Hotspot Nummer eins ist zweifellos La Caleta, der kilometerlange Stadtstrand, der bereits für eine (eigentlich in Kuba spielende) Szene des James-Bond-Streifens „Stirb an einem anderen Tag“ herhalten musste. Grünes Aushängeschild der Stadt ist der Parque Genovés, in dem bis 1970 rauschende Feste gefeiert wurden. Heute beherbergt der trapezförmig angelegte botanische Garten mehr als 100 Baumarten, Palmen und sogar einen künstlich angelegten Wasserfall. Tipp: Auf der Freilichtbühne des Gartens finden im Sommer zahlreiche ­Theater- und Konzertaufführungen statt.

 

Von Anja Fuchs

Beitragsbild: Julia Chan Kar Wai/Shutterstock