Der Grazer Stadtwein – graziöse Weine vom Hausberg

Grazer Stadtwein | Foto: Flora P.
Was sich einst Klein-Grinzing nannte, erfährt seit geraumer Zeit eine Rekultivierung, die mundet. Der Grazer Stadtwein feiert ein Revival.

Die alte Wegbezeichnung „Am Weinhang“ ist noch vorhanden und weist den Weg zu den angelegten Terrassen der einstigen Weingärten, die noch schemenhaft erkennbar sind. Ja, in der Blütezeit zählte das Grazer Weinbaugebiet sogar über 193 Hektar. Das Grätzel hier oben am Kehlberg nannten die Städter liebevoll Klein-Grinzing, weil es 1925 noch rund 20 Most- und Buschenschenken zählte und als Naherholungsgebiet der Grazer galt. Im Glas schwenkte man anno dazumal weißen Hanusch, Belinda, blauen Wildbacher oder Schilcherrebe.

Das Bier war teuer, der Wein vergleichsweise um 1,20 Schilling pro Liter Weiß fast schon eine Okkasion. „Es floss scheinbar recht gut“, schmunzelt Unternehmer Michael ­Blaschitz, der beim Blättern in alten Chroniken über den Kehlberg vor wenigen Jahren auf die Weinbaugeschichte dieses Berges aufmerksam wurde. „Die alten Fotos und Ansichtskarten zeigen den einzigartigen Charakter dieser Kulturlandschaft. In vielen Gesprächen mit meinen Nachbarn, die sich alle noch aus ihrer Kindheit und Jugend an die Zeiten des Weinbaus am Kehlberg erinnern, entstand die Idee, diese Tradition wiederzubeleben“, skizziert Blaschitz seine Ambition.

Sprudelnde Wiedergeburt

Grazer Stadtwein | Foto: Jimmy Lunghammer

Die Familie Blaschitz begrüßte am Kehlberg die Winzer Hannes Sabathi (hinten Mitte), Joachim Florian (nicht im Bild), Manuel Schwarze und Bettina Bäck, Agentur Wine&Partners (r.). Foto: Jimmy Lunghammer

Bis in die wilden 1968er reicht die Tradition der Weinproduktion in Graz, dann sperrte aber selbst die letzte Buschenschank am Hügel zu. Nun wird eifrig revitalisiert. Freilich nicht ohne Experten. Mit an Bord ist unter anderem Vorzeigewinzer Hannes Sabathi aus der Südsteiermark. „Wir haben 2013 begonnen, Sauvignon blanc und Gelben Muskateller auszupflanzen – zwei steirische Leitsorten, die mit der Bodenbeschaffenheit am Kehlberg eine interessante Symbiose eingehen“, erklärt Sabathi. Die steilen Südhanglagen, der lehmig-kalkige Boden und das würzige Rückgrat des Dolomit-Terroirs taugen dem nunmehr auch Stadtwinzer. Auch ­Joachim Florian vom Weinhof Florian aus der Weststeiermark übt seine Passion am Kehlberg aus. „Vermeintliche Experten haben mir gesagt, dass das da heroben nie etwas Gscheites wird“, schmunzelt der Weinbauer und tritt in der Runde mit Kollege ­Sabathi, ­Manuel Schwarze, Chefkoch und Winzer beim Genusstreffpunkt Höfer, ­Bettina Bäck von der Agentur Wine&Partners und Unternehmerfamilie Blaschitz den Gegenbeweis an.

Zehn Weine finden zwischen Gesprächen über Traditionen, Herausforderungen bei der Revitalisierung und der Liebe zu Reben ihren Platz. Im Mai 2018 kamen die ersten Weine aus dem Jahrgang 2017 in Graz von ­Sabathi auf den Markt, 2018 schickte Manuel Schwarze sogar Chardonnay aus dem Stadtgebiet in Sprudelform, versektet in der Kästenburg in Ratsch an der Weinstraße, ins Rennen. Letzterer glänzt in der VIA-Verkostung mit gutem Holzeinsatz und eigenständigem Charakter. Auch Florians Sauvignon blanc 2018 punktet in der Runde dank guter Säurestruktur und spritzigen Hollergrüns. „Die Thermik tut den Reben gut. Die Hitze des Asphalts kann ungehindert aufsteigen. Bevor wir die Weingärten erneuert haben, war das ein Paradies für Segelflieger“, protokolliert ­Blaschitz.

Lebensraum und Terroir

„Weine aus Graz schmecken ganz klar anders als oststeirische, südsteirische, weststeirische Weine. Und genau darum geht es – um ein eigenständiges Terroir“, unterstreicht Sabathi. Die Metamorphose des Kehlberges blieb von der Natur nicht unbemerkt. So fand an den revitalisierten Hängen die seltene Osterluzeipflanze wieder ihren angestammten Lebensraum, um sich zu entfalten. Mit ihr kam der noch seltenere Osterluzeifalter. Die Raupen des Falters ernähren sich ausschließlich von der Oster­luzeipflanze. Ihre Anwesenheit sei ein klares Indiz für das ökologische Gleichgewicht, das hier herrscht. Die Verbundenheit des Falters mit dem Weinberg macht ihn darüber hinaus zum Namensgeber für den Grazer Stadtwein von Hannes Sabathi, dem doch recht kraftvollen Falter Ego.

Mittlerweile ist das Weinanbaugebiet in und rund um Graz wieder auf zehn Hektar angewachsen. Und es liegt noch Fläche brach. An den Faltern liegt es nicht, aber an der Unterstützung seitens der Grazer Gastronomie mangelt es noch ein wenig.

TINA VEIT-FUCHS

 

Grazer Stadtwein

Weingut Hannes Sabathi
Kranachberg 51, 8462 Gamlitz
hannessabathi.at

Buschenschank Florian-Schaar
Bahnhofstraße 28, 8510 Stainz
florian-schaar.at

Genusstreffpunkt Höfer
Höhenweg 22, 8044 Weinitzen
genusstreffpunkt.at

 

Beitragsbild: Flora P.