Gin Bumm! Zwischen Gin-Purismus und Spaßgetränk

Gin | Foto: Jimmy Lunghammer
Herbe Freude bei den heimischen Ginproduzenten, die mit ausgewählten Botanicals ein spannendes Tummelfeld für Barfans und -keeper bespielen. Wir lauschten ihren Kundgaben zwischen Bitternote, Purismus und Spaßgetränk.
Gin | Foto: Jimmy Lunghammer

Gutes Produkt, fesches Outfit. Die heimischen Labels können sich Sehen lassen. Foto: Jimmy Lunghammer

Wenn Sie noch Aperol Spritz trinken, haben Sie die letzten Jahre definitiv verschlafen. Hip ist Gin, weil Gin lässig ist und gerade so richtig edel wird. „Schuld“ daran sind Menschen wie Stefan Liebmann, bei dem Gin alles ist, aber sicherlich kein altbackener Absacker. „Der große Gin-Boom rührt daher, dass Gin eine irre große Spielwiese bietet. Ein Whiskey ist immer ein Whiskey, aber ein Gin lässt die Vielfalt zu. Ja, er umarmt sie sogar und drückt sie fest an sich. Gin ist eben wie ein Vergnügungspark“, fühlt sich Liebmann, der in Lassnitzhöhe bei Graz ein gleichnamiges Vier-Sterne-Hotel führt, dem Trend emotional verpflichtet.

Seine Bar, integriert in sein Hotel, zählt mit über 170 Sorten zu den größten Gin-Bars der Steiermark und ist deshalb diesmal Schauplatz un­serer VIA-Verkostung. „YIN GIN inspired by 6020“ titelt Liebmann seine eigene (G)Inspiration, eine Hommage an seine Studienzeit in Innsbruck und Thailand, in der seine Begeisterung für Gin geweckt wurde. „Yin bedeutet Gin auf Thai und somit ist YIN GIN nicht nur ein Hinweis auf die ideellen Wurzeln des Getränkes, sondern auch auf dessen exotisch-frischen ­Geschmack“, erklärt der Touristiker. Die mitreißende Zitrus-Waldmeister-Note hält, was die coole Alu-Aufmachung verspricht. Für uns ein perfekter Einstieg in die Welt des Wacholders.

Der bezaubernde Gin-ie

Gin herzustellen, ist ja im Grunde ziemlich einfach: Man nimmt einen neutralen Industrie-Alkohol, aromatisiert ihn mit Wacholderbeeren und beliebigen anderen Geschmacksträgern, den sogenannten Botanicals. Dann verdünnt man das Ganze mit Wasser und destilliert aufs Neue. Schon hält man einen Gin in Händen. Aber so wie Mineralwasser nicht gleich Mineralwasser ist, ist auch Gin nicht gleich Gin. Er muss schon gut sein und, um erfolgreich zu sein, einen kreativen Namen und gelungenen Markenauftritt hinlegen.

Roman Fuchs und Andreas Bauer ist die Übung gelungen. Die Idee zu ihrem „Fuxbau“-Gin kam den beiden Freunden bei einem gemeinsamen Städtetrip in Berlin. Erste Versuche mit einem Rotationsverdampfer verliefen erfolgversprechend, mehrere Jahre wurde an der perfekten Rezeptur getüftelt. Heute wird im 20-Liter-Kupferkessel einer 25 Quadratmeter kleinen Brennerei im oststeirischen Hügelland in sehr geringen Mengen produziert. Mazeriert wird auf vier unterschiedlichen Essenzen. Im vielschichtigen Geschmack dominieren Vogelbeere, Fichtenwipferl und Zirbenzapfen.

Gin | Foto: Jimmy Lunghammer

Was ernst aussieht, hat auch Spaß gemacht. Von links: Werner Krauss (Destillerie Krauss), Andreas Bauer (Fuxbau), Stefan Liebmann (YinGin), Sarina und Hansi Schneeberger (Schneeberger Gin) sowie Martin Krahuletz (1404). Foto: Jimmy Lunghammer

Zitrusnoten findet man keine. Die braucht es aber auch nicht, weil die Nase ohnehin ausreichend mit den ausgeprägten Waldaromen beschäftigt ist. 100 Prozent natürliche Zutaten, die Roman und Andreas maximal mit einer eingelegten Vogelbeere als Eyecatcher servieren würden. „Spirituosen trinke ich grundsätzlich pur. Sobald man Getränke wie Gin-Tonic mit Gurkenscheiben garniert, schmeckt das Ganze bloß noch nach Gurke“, unterstreicht Hansi Schneeberger, Sohn von Winzer Johann Schneeberger, seine Liebe zum Purismus. „Ich mag gern die klassischen Gins mit viel Wacholder, die nicht so schmecken als wäre das Tonic schon drinnen.“

Sensorisch von Kindesbeinen an geschult, fängt Hansi die Aromen des Landstrichs ein, der ihn beheimatet. Der Dry Gin reift bei Hansi für 18 Monate in sorgfältig ausgewählten Eichenfässern aus französischer Produktion. Dadurch bilden sich neue Aromen wie Vanille, ein wenig Karamell und Bratapfel. Das kommt daher, dass die Fässer bei Schneeberger zuerst für den Apfelbrand eingesetzt wurden. Verknüpft man Hansis Herkunft mit seinem Destillat, rückt die Essenz aus Luft, Bäumen und dem Wasser Kitz­ecks in den Blickpunkt und wenn man die Augen schließt, erkennt der Gaumen neben getrockneten Heidelbeeren und Sternanis auch einen Hauch Lavendel, der bei den Schneebergers direkt vor der Tür wächst.

„Gin muss Charakter haben und darf bloß nicht zu straight und austauschbar bleiben“, nippt Andreas Bauer zustimmend an seinem Glas. Schneebergers Oak Gin setzt mit Apfeligem aus dem Barriquefass noch einen drauf. „Ein guter Gin muss auch pur gut zu trinken sein“, ist Johannes Firmenich ebenso überzeugt. Sein „STIN“ (Styrian Dry Gin), den er gemeinsam mit Reinhard Jagerhofer produziert, hat durch nicht weniger als 28 Botanicals – darunter südsteirische Äpfel und oststeirischer Holunder, Zitrone und Orange – eine sehr fruchtige Note.

Gin | Foto: Jimmy Lunghammer

Stimmungsvoller Panoramablick beim VIA-Gin-Tasting in den Barbereich des Vier-Sterne-Hotels Liebmann. Foto: Jimmy Lunghammer

Eau de Gin, ohne Gemüse

„Gin gehörte schon immer in jede Bar. Das Qualitätsdenken hat sich aber mit den Jahren geändert“, konstatiert Werner Krauss. Er hat seine Destillerie 2007 gemeinsam mit seiner Frau Carmen Hermann-Kraus in einer Garage gegründet. Analog zu den Vins de Garage in Frankreich, produzierte man damals im Kleinen Edelbrände auf höchstem Niveau. Heute wächst die Destillerie Krauss stetig und räumte international bereits mehrere Awards und Goldmedaillen ab.

„Gin Tonic ist heutzutage ein Spaßgetränk, aber solange in einem Mixgetränk das Urprodukt nicht verschwindet, ist das schon okay. Ich mische unseren Rum ja auch mit Cola“, schmunzelt Weststeirer Krauss. In unserem Tasting fällt uns besonders sein „Tangerine“ auf – ein Gin, der sich mit deutlicher Thymian- und Mandarine-Note im Glas sehr selbstbewusst vorstellt und an einen nasalen Ausflug ins Nikolosackerl erinnert. Bei seinem Abstecher ins Eichenfass wird wieder deutlich: Zu derartigem Gin braucht es kein geräuchertes Rosmarinzweigerl oder sonstige Fanfare. It’s handcrafted simplicity that counts.

Gin | Foto: Jimmy Lunghammer

„Ein guter Gin muss auch pur gut zu trinken sein.“
Johannes Firmenich, STIN. Foto: Jimmy Lunghammer

Voll in der Blüte steht auch Krauss’ verspielter Rose Garden Dry Gin. Hier flirten Wacholder und Rosenblüte ganz schön miteinander. Auch das Label 1404 aus der Obersteiermark verpackt Vielfalt in Flaschen. „14.04. beschreibt den Tag, an dem unser Gin erschaffen wurde“, protokolliert Martin Krahuletz von der 1404 Manufacturing GmbH, die auch hervorragendes Tonic und nicht zu süßes Ginger Ale herstellt. „Ich bin viel gereist und habe festgestellt, dass trinkbarer Schnaps auch in Regentonnen produziert werden kann. Was gute Gin-Produzenten eint, sind Mut und Qualitätsbewusstsein“, so Krahuletz. Sein London Dry kommt trocken-ehrlich, ohne Schnörkel daher. Seine Ingwer-Schärfe massiert angenehm Zunge und Gaumen. Kann man so lassen.

Beim New Western Dry Gin hat unter anderem die Tonkabohne ihren Auftritt, wenn auch nur auf leisen Sohlen. Optisch spannend sind die „You & Me Gin Tonic Ready2Drink“-Varianten im 150-ml-Marmeladeglas, fixfertig gemischt samt Garnitur. Ein netter Eventbegleiter. „Sobald die Sonne untergeht, ist Gin-Time. Gin-Interessierte sind offene, probierfreudige Menschen. Das macht dieses Feld auch so spannend“, meint Krahuletz. Fazit: Früher war Gin klarer, schärfer im Geschmack. Heute hat er mehr Tiefe und beweist über den Glasrand hinaus Genusspotenzial. Seit 2017 gibt es im schottischen Glasgow nämlich ein Gin-Spa und in Wien gurkt man auf Bestellung mit dem Gin-Taxi (gintaxi.at) umher.

TINA VEIT-FUCHS

Der helle Wahn-Gin

Hotel Liebmann
Liebmannweg 23,
8301 Laßnitzhöhe
www.hotel-liebmann.at

Feindestillerie Krauss
Graden 13,
8541 Schwanberg
www.distillery-krauss.com

1404 Manufacturing GmbH
Hessenbergstraße 34,
8792 St. Peter-Freienstein
www.gin1404.at

Ginmanufaktur Fuxbau
Lemberg 63,
8274 St. Magdalena am Lemberg
www.fuxbau-gin.at

Schneeberger Destillate
Pernitschstraße 31,
8451 Heimschuh
www.schneeberger-destillate.at

STIN Styrian dry Gin
Wielitsch 57,
8461 Ehrenhausen
www.stin.at

Beitragsbild: Jimmy Lunghammer