Kirgistan: Himmelsberge und Seidenstraße

Kirgistan : Himmelsberge und Seidenstraße
 Das sind grandiose Landschaften, fremde Kulturen und der Mythos Seidenstraße: Kirgistan. Eine persönliche Entdeckungsreise mit einem Hauch von Abenteuer.

Die Seidenstraße sollte eigentlich als „die Seidenstraßen“ von Kirgistan bezeichnet werden – denn natürlich handelt es sich bei diesem berühmten Handelsweg nicht nur um die Südroute durch den Iran weiter in den Mittelmeerraum, sondern um ein weitverzweigtes Netz historischer Karawanenstraßen, die am Landweg von China über Zentralasien und Persien bis in den Mittelmeerraum führten. Es wurden nicht nur Seide, Gewürze und Porzellan gehandelt, sondern es fand auch ein reger Austausch von Kulturen, Religionen und Wissen zwischen Ost und West statt. Während im Iran und in Usbekistan mystische Oasenstädte und bunte Souks „Seidenstraßenfeeling“ vermitteln, schlummern Kirgistans Geheimnisse noch dahin.
Die Vielfalt der „Stan-Länder“ (die Endsilbe stammt aus dem Persischen und bedeutet „Land“) ist jedenfalls mehr als eine Reise wert. Großartige Natur von Steppenlandschaften über grüne Almwiesen mit Nomadenleben bis zu Gebirgsseen und den gletscherbedeckten Siebentausendern der Himmelsberge (Tian Shan) lockt genauso wie Oasenstädte, alte Karawansereien und die sehr lebenswerte postkommunistische Metropole Bishkek. Nicht zu vergessen eine überraschend interessante Küche.

Olympische Ehren?

Das Osh- Museum verbindet natürliche und künstliche Höhlen im Pilgerberg Suleiman-Too.

Anflug nach Almaty in Kasachstan. Zwar ist das nördlich gelegene Nur-Sultan 1993 zur neuen Hauptstadt ernannt worden, Almaty ist aber kulturelles und wirtschaftliches Zentrum des Landes geblieben: eine kontrastreiche Zwei-Millionen-Metropole mit protzenden, modernen
Glaspalästen, unverkennbarer Sowjetarchitektur und ehrwürdig gepflegten Altstadtrelikten. Die bunte russisch-orthodoxe Himmelfahrtskathedrale, das interessante Museum für Volksmusikinstrumente, der gepflegte Panfilov-Park und die Fußgängerzone gehören genauso zum interessanten Stadtbild wie der Grüne Markt, die riesige Moschee und eine lebendige Restaurantszene. Das neuntgrößte Land der Welt hat gigantische Bodenschatzreserven und ist steinreich. Imposant ist vor allem der Ausblick vom Aussichtsberg auf die Metropole mit der mächtigen Kulisse des Tian-Shan-Gebirges. Mittendrin und hoch oben in dieser Bergwelt liegen moderne Wintersportanlagen wie das Eisstadion von Medeo und das Skigebiet Shymbulak.

Die Schweiz von Zentralasien.

Morgens noch in den Ausläufern der Steppe und zwischen Sandsteinskulpturen unterwegs, dominieren einige Stunden später glas­klare Bäche und tiefgrüne Wiesen in Kirgistan. Der gebirgige Binnenstaat wird von rund 5,7 Millionen Menschen bewohnt – größte Stadt des Landes ist die Hauptstadt ­Bishkek mit über 800.000 Einwohnern. Über 90 Prozent der Landesfläche sind gebirgig, das mächtige Tian-Shan-Gebirge dominiert das Land mit Gipfeln bis fast 7.500 Meter und mehr als 2.000 Gletschern.

Alpen im Superlativ.

Ein atmosphärischer Einstieg in die Welt Kirgistans ist das Städtchen Karakol. Die hölzerne Dunganen-Moschee, die russisch-orthodoxe Dreifaltigkeitskirche und das sehenswerte
Przewalski-Museum, dem berühmten Asienforscher Nikolai Przewalski gewidmet und in einem schönen Park gelegen, begeistern. Ein Ausflug Richtung Kurort Altyn Arashan führt schon auf über 2.000 Meter – und tief in die Täler der Himmelsberge. Naturliebhaber jubeln: 7.000 Meter hohe leuchtende Schneeriesen, grüne Almwiesen, Jurten, endlose Wälder und damit letzte Rückzugsgebiete für wilde Tiere sind wie ein Anschlag auf die Sinne. Mit dem Städtchen Karakol als Basis lässt es sich hier wochenlang wandern, reiten, auf Berge kraxeln oder einfach nur die Seele baumeln lassen.

Das Meer der Kirgisen

Der 3.268 Quadratkilometer große See Issyk-Kul („Warmer See“) ist mit 182 Kilometer Länge und bis zu 60 Kilometer Breite der zweitgrößte Hochgebirgssee der Welt. Die schneebedeckte Bergkulisse ist grandios, alle Touren in die Seitentäler zu Bergseen, Wasserfällen, roten Sandsteinfelsen oder der lokalen „Painted Desert“ lohnen und machen süchtig nach mehr. Genial ist auch die Wassertemperatur. Durch unterirdische Thermalquellen friert der See selbst im kältesten Winter nicht zu. Also rein ins Meer der Kirgisen.

Überraschung Bishkek.

In der 300 Meter tiefen Charyn-Schlucht im Charyn-Nationalpark gibt es mehr als 1.500 Pflanzenarten.

Die Hauptstadt Bishkek liegt an einer alten Seidenstraßenroute und entwickelte sich aus einem Karawanenstützpunkt. Sie gleicht einem riesigen Freilichtmuseum – und hat Charme. „Die Bevölkerung will nicht mehr zurück in ein kommunistisches Großreich, aber die sowjetischen Stadtarchitekten haben zumindest beste Voraussetzungen für eine lebenswerte Großstadt geschaffen. Wir haben alles – großzügig angelegte Parks und Boule­vards, Monumentalbauten wie das Musiktheater, das Puppentheater, Denkmäler, eine pittoreske orthodoxe Kirche und eine riesige Moschee, gute Restaurants und Cafés, dazu Orientflair im riesigen Basar und natürlich Plattenbauten“, zeigt sich die Kirgisin Dinara
stolz auf ihre Heimatstadt. Und vor der Haustür warten Nationalparks, selbst Tagesausflüge in die Himmelsberge sind möglich. „Dort oben an den Bergseen grillen die Leute. Essen war und ist immer wichtig gewesen für das ehemalige Nomadenvolk.“ Deshalb stellt uns Dinara kirgisische Speisen – zum Beispiel die hausgemachten Nudeln Beshbarma – vor. Dazu: Steinbräu- Bier aus Kirgistan.

Jurtenromantik.

War der Vorabend noch von Streetlife und kirgisischer Rockmusik gekennzeichnet, dominiert am nächsten Tag die Stille im Jurtenlager. Endlos windet sich die Straße zum Songköl-See auf 3.000 Metern. Auf den riesigen Weideflächen rundum stellen die Halbnomaden ab Juni ihre Jurten auf, ihre Tierherden finden bis in den September ideale Weidebedingungen. Wir werden in Jurten übernachten, um den See wandern und die Stille der Hochebene aufsaugen. Und ein wenig am Nomadenleben teilhaben: in die Kochtöpfe schauen, Tschai schlürfen, frisches Fladenbrot kosten, beim Erstellen eines Filzteppichs zusehen – und den lokalen „hard drink“ probieren: Wir prosten uns mit vergorener Stutenmilch zu. Tagestemperaturen von 20 bis 30 Grad und tiefblauer Himmel haben selbst im Sommer klirrend kalte Nächte zur Folge. Macht aber nix, die Nomaden sind Überlebenskünstler und beheizen ihr Zuhause.

Geheimnisse der Seidenstraße.

Während der Nachbar Usbekistan mit UNESCO-Weltkulturerbestätten zahlreiche Touristen anlockt, genießt man in Kirgistan Basar­traditionen und Seidenstraßenromantik noch fast allein. Einsam gelegen reist man mit der Karawanserei Tash Rabat in die Vergangenheit. Dieser gut erhaltene Steinbau aus dem 15. Jahrhundert lässt viel von den Strapazen einer Handelsreise im Mittelalter erahnen. Für die Karawanen waren derartig befestigte Orte in der Entfernung einer Tagesreise überlebensnotwendig.
Pik Lenin und Pamir Highway. Es geht südwärts Richtung Grenze zu Tadschikistan. Dramatisch ist die Anfahrt beim letzten Tageslicht ins Basecamp des Pik Lenin auf 3.600 Metern, genauso dramatisch der morgendliche Blick durch eine Welt der Eis­brücke zum eindrucksvollen 7.134 Meter hohen Pik Lenin. Der Trekkingtag bietet Kirgistan mit all seiner natürlichen Vielfalt: Unter uns tiefgrüne Weiden mit Schafen, Pferden und typischem Almalltag, über uns leuchten die Pamir-Siebentausender in das endlose Blau des Himmels. Und nach einem wilden abendlichen Bergglühen gibt’s „all inklusive“ den nächtlichen Tausendsternehimmel gratis.

 

Von Sabine und Sepp Puchinger

Beitragsbilder: Sabine und Sepp Puchinger