Immer dem Wind nach

Kitesurfen ist ein Sport, der rasend schnell süchtig macht. Warum das so ist, wird hier verraten. Plus: schöne, schnell erreichbare Plätzchen, an denen man den Drachen steigen lassen kann.
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So schön – fast schon kitschig: eine Kitesession bei Sonnenuntergang, hier am Neusiedler See. Unvergessliche Momente und beeindruckende Naturschauspiele erlebt man beim Kitesurfen immer wieder. (Foto: Helmut Fuchs/kitejoy.at)

Es ist rund fünf Jahre her, dass sich mein Le­ben ganz wesentlich verändert hat. Eigentlich ging alles ganz schnell, ein einziges windiges Wochenende hat gereicht, um eine Sucht zu entwickeln, die mich bis heute verfolgt. ­Hätte mir jemand davor prophezeit, dass ich sämtliche Freizeit dafür opfern würde, bei Wind und Wetter an einem riesigen Drachen zu hängen – ich hätte ihm den Vogel gezeigt. Als Kind fand ich Drachen steigen lassen nämlich ziemlich langweilig.

Kitesurfen: Das ist meine Sucht. Jedes Jahr drängt sie sich mit ihrer Präsenz mehr in den Vordergrund – und ich denke nicht daran, etwas dagegen zu tun. Weil ich vollends in ihr aufgehe und sie mich glücklich macht. Sie entspannt und fordert mich zugleich: Wenn ich an einem Kite hänge und übers Wasser gleite, gibt es nur die Natur und mich, sonst nichts. Wenn ich neue Sprünge übe und das nächste Level erreichen will, bin ich mir selbst so nah wie sonst nur selten. Außerdem ist da diese Spannung – weil du nie weißt, was du kriegst: Jede Session auf dem Wasser ist einzigartig, exakt dieselben Bedingungen gibt es kein zweites Mal.
Die Kitesucht hat mich an viele Orte rund um den Globus gebracht, viele neue Menschen in mein Leben gezogen, meinen Alltag und mein Berufsleben komplett auf den Kopf gestellt. Urlaub an einem Ort, an dem man nicht kiten kann? Schwierig bis unvorstellbar. Ich habe großes Glück, dass mein Mann genauso drauf ist, wir beide dieselbe Leidenschaft teilen (er sogar schon um einiges länger als ich).

Zurück zum Anfang. Der Ursprung meiner Kiteleidenschaft liegt in Österreich. Viele haben beim Gedanken ans Kitesurfen wahrscheinlich türkisblaues Wasser und palmengesäumte weiße Sandstrände vor Augen. Kiten in Bikini oder Boardshorts, nach der anstrengenden Session schnell eine Kokosnuss gekappt und eine Verschnaufpause in der Sonne. Klar, das gibt’s!
Meine ersten Erfahrungen sahen allerdings anders aus: Dicker Neoprenanzug, Haube, Handschuhe. Eine deftige Wetterfront über dem Neusiedler See, die ordentlich Wind mitgebracht hat. So ungemütlich es klingt –
ich liebe diese Bedingungen ebenso wie die 30 Grad am Palmenstrand. Das „Meer der Wiener“ ist ein Kitespot mit ganz besonderem Charme – vielleicht nicht immer mit konstant warmen Temperaturen, dafür mit Sonnenuntergängen, die ihresgleichen suchen. Und vielen Windtagen, da sowohl nördliche als auch südliche Richtungen ausgenutzt werden können: Bei Nordwind in Podersdorf, bei Südwind in Breitenbrunn. All jenen, die auf den Geschmack gekommen sind, sei gesagt: Der Neusiedler See ist vielleicht nicht das einfachste Lernrevier. Nicht immer ist es warm und sonnig, und der Wind kann auch böig daherkommen. Aber wer dort kitesurfen lernt, der kann’s – und wird sich an anderen Spots leichter tun. Mein Tipp: Egal, wie kalt oder anstrengend der Kitetag war – ein Abstecher in die legendäre „Podo Bar“ macht’s wieder gut!

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Kontrastprogramm: Kitesurfen hat viele Seiten – vom chilligen Sommerprogramm an der Kitestation in Bikini und Shorts bis hin zu eiskalten Tagen, an denen dichte graue Wolken am Himmel hängen und der dickste Neoprenanzug hermuss (Siehe Foto rechts). (Foto: Helmut Fuchs/kitejoy.at)

Es gibt Plätze, die sind schön, die hat man besucht, aber das war’s dann auch schon. Und dann gibt es Plätze, an denen das Herz hängen bleibt – und an die man immer und immer wieder zurückkommt. Die griechische Insel Rhodos ist so ein Ort für mich. Neben dem populären (leider im Sommer ziemlich überfüllten) Strand Prasonisi im Süden der Insel gibt es im Norden einige gute Kitespots: Kalavarda, Fanes, Theologos und meine Lieblingsdestination Kremasti­ – ein kleiner, trubeliger Ort, rund zehn Minuten vom Flughafen entfernt. Nicht nur die schnelle Anreise – der Flug dauert etwas über zwei Stunden – ist ein Argument für die Dodekanes-Insel. Im Sommer kann man auf Rhodos mit jeder Menge Wind rechnen. Auf den Meltemi ist eben Verlass – der Sommerwind der Ägäis dreht zwischen Rhodos und der Türkei auf westliche Richtung, wird durch die Meerenge gepresst und durch den Düseneffekt ordentlich beschleunigt. Juli und August sind die besten Windmonate, in denen auch die Thermik den Wind noch etwas anschubst. Selbst wenn es einmal keinen Wind gibt: Die Altstadt von Rhodos bzw. das malerische Dorf Lindos muss man eh gesehen haben.

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(Foto: Helmut Fuchs/kitejoy.at)

Ein Kiterevier, das ganzjährig gut erreichbar und immer warm ist, ist Ägypten. Am Roten Meer gibt es zahlreiche Spots mit Bedingungen, die Kite-Anfängern sehr entgegen kommen: flache, stehtiefe Lagunen und konstante Winde. Ein Ort, der nicht nur kitetechnisch viel zu bieten hat, ist El Gouna. In der künstlich erschaffenen Lagunenstadt – auch das „Klein-Venedig“ Ägyptens genannt findet man jede Menge internationale Restaurants und Bars. Wer auch an windfreien Tagen nicht genug vom Boardsport bekommen kann, löst einfach ein Ticket am Wakeboard-Cablepark. Auch in Ägypten, aber viel puristischer als El Gouna ist Hamata. An der Lahami Bay südlich von Marsa Alam findet man zwar kein Nightlife oder sonstiges Drumherum, dafür unendlich viel Platz im kristallklaren, stehtiefen Wasser, Mangroven und das „Kite Village“-Camp direkt am Spot.

Last, but not least: Das spanische Tarifa gilt als Kite- und Windsurf-Metropole Europas und ist Heimat vieler Profi-Surfsportler– zu Recht. Sucht man den relaxten Surf-Life-style, wird man in Tarifa fündig werden: Nirgends ist die Dichte an Surfshops, Kite- und Windsurfschulen höher als an diesem Spot in Andalusien, nur wenige Kilometer von Afrika entfernt. Riesige Hotelbunker gibt es nicht, stattdessen jede Menge Tapas-Bars und ein reges Nachtleben. Aber Vorsicht: Wer aufs Wasser möchte, sollte in Sachen Partys clever dosieren – denn der Wind bläst nahezu ununterbrochen durch die Meerenge der Straße von Gibraltar.

ANJA FUCHS

Anja Fuchs ist Journalistin und schreibt im Online-Magazin
kitejoy.at über ihre große Leidenschaft, das Kiten.

Best places to kite

Kiteschulen am
Neusiedler See

Breitenbrunn
www.westcoastkiters.at

Podersdorf
www.kite2fly.com
www.kiteriders.at
www.campside77.at
www.kitesurfing.at

Griechenland/Rhodos

www.rhodos-info.de

Airriders, Kremasti
www.kiteprocenter.gr

Kitestation Theologos
www.thekitecamps.com

Ägypten

El Gouna
www.elgouna.com

Kitestationen/-schulen
www.elgouna.kiteboarding-club.com
www.kitepower-elgouna.com/de

Hamata
Kitestation/-camp:
www.kite-village.com

Spanien

Tarifa
www.tarifa.de
www.kitesurfingschooltarifa.com
www.tarifa.kiteboarding-club.com

Beitragsbild: (c)  Helmut Fuchs/kitejoy.at