Ist das Leben nicht wanderbar?

Wandern allein ist gut, Wandern rund um Gewässer noch besser. Und wo treffen die Naturelemente Berge und Wasser noch kraftvoller aufeinander als im Ausseerland?

Wandergenuss auf der Tauplitz, Obersteiermark im Ausseerland. Foto: Steiermark Tourismus/Gery Wolf

Obwohl Wandern in Österreich seit eh und je als Volkssport gilt, hatte es lange Zeit mit Imageproblemen zu kämpfen: ein Sport für Ruheständler, die’s mit den Knien haben. Etwas spießig und angestaubt – jedenfalls fernab von cooler Action. Schade eigentlich. Aber, sei’s, wie’s sei – die Coronakrise hat auch Gutes mit sich gebracht. Unter anderem konnte sie das Verhältnis vieler zum Thema Wandern auf den Kopf stellen – wie zahlreiche Studien beweisen.

Die Gründe liegen auf der Hand: War es vorher noch spießig, mit Rucksack auf die Alm zu spazieren, boten geschlossene Sportstätten plötzlich weniger Möglichkeiten, sich auszupowern, den aufgestauten Stress irgendwo liegen zu lassen. Also wurden irgendwann – aller Coolness zum Trotz – doch Wanderschuhe gekauft und geschnürt. Der Proviant und die Familie eingepackt und losmarschiert. Und viele fanden Gefallen daran, stellten fest: Wandern rockt! Von den gesundheitlichen Vorteilen einmal abgesehen – Fußmärsche über Stock und Stein halten fit, sind Balsam für Herz und Kreislauf und nicht zuletzt für die Seele. Beim Wandern powert man sich nicht nur aus, man lernt, sich zu spüren, erlebt die Natur hautnah und mit mehr Slow-Motion-Momenten als beispielsweise beim Mountainbiken. Und das noch dazu ganz niederschwellig, ohne großen Aufwand und ohne spezielle sportliche Technik (wir reden hier nicht von Profi-Touren!).

Außerdem: Um unvergessliche Wandertage zu erleben, muss man nicht einmal in die Ferne reisen. Österreichs Berge sind diesbezüglich ein Garten Eden – fast quer durchs Land ziehen sich idyllische Routen, die den Alltag in den Pausenmodus schicken. Weshalb wir hier natürlich gern alle wanderbaren Regionen des Landes präsentieren würden – würde es der Platz hergeben. Weil aber gerade im Sommer das Element Wasser ein so erfrischendes und energiegebendes ist, haben wir uns für ein Fleckchen Österreich entschieden, das Berge und Gewässer auf eine nahezu magische Art und Weise vereint.

Entsprungen aus Eis und Fels

Statusträchtige Lederhosen. Gelebtes, ursprüngliches Brauchtum, ungeachtet schnelllebiger Trends. Ein spektakulärer Kirtag, zu Recht weit über die Grenzen hinaus bekannt. Berge, ebenso stolz und unerschütterlich, wie man es auch den Bewohnern der Gegend nachsagt (ein wenig stur vielleicht sogar). Das Ausseerland, auch bekannt als steirisches Salzkammergut, bildet den geografischen Mittelpunkt Österreichs – eine raue Landschaft, entsprungen aus Eis und Fels. Ein Tal, einst durch die wilden Kräfte der Natur zerschmettert und schließlich neu geboren in voller Pracht. Steil ragen die Felswände hier empor und spiegeln sich in tiefen, geheimnisvoll wirkenden Seen. Eine mystische Region, um die sich nicht umsonst zahlreiche Sagen ranken.

Inspirationsquelle für große Namen

Namensgeberin für den Sissi-Klettersteig am Loser war Kaiserin Elisabeth, die den Altausseer Hausberg am liebsten einsam und allein bewanderte. Foto: Reinhard A. Sudy

Eingebettet in und rund um die Ausseerland-Gemeinden Bad Mitterndorf, Bad Aussee, Altaussee und Grundlsee liegen zahlreiche Seen – vom fischreichen Grundlsee über den mehr als 100 Meter tiefen Toplitzsee, den fünf Kilometer langen und von einer 120 Meter hohen Mauer begrenzten Salza-Stausee bis hin zum von Hochmooren umgebenen Ödensee. Und nicht zuletzt der Altausseer See, landschaftlich einer der spektakulärsten Salzkammergut-Seen und auch „dunkelblaues Tintenfass“ genannt – wegen seiner Farbe, aber eventuell auch, weil er Schriftstellern wie Arthur Schnitzler und Hugo von Hofmannsthal als Inspiration diente. Über die mystisch anmutenden Seen erheben sich stolz die massiven Bergwände – am beeindruckendsten die Trisselwand (1.755 Meter) und der Ausseer Hausberg Loser (1.838 Meter). Zwei Wander-Highlights, die man sich nicht entgehen lassen sollte – selbst wenn man nicht ganz bis nach oben kraxelt. Schon Kaiserin Elisabeth liebte es, einsame Wanderungen am Loser zu unternehmen – nicht umsonst wurde der Panorama-Klettersteig mit „Sissi“ nach ihr benannt.
Wer jetzt noch immer keine Lust auf Rucksack-Packen und Wanderschuhe-Schnüren bekommen hat, sei unbesorgt: Auch an gemütlichen Spazierwegen am Wasser mangelt es dem Ausseerland nicht – noch weniger als an fantastischer Kulinarik. Zwei Aspekte, denen sich Steiermark-Experte Reinhard Sudy in seinem Buch „Uferwege im Ausseerland“ (siehe Buchtipp auf Seite 37) ausgiebigst widmet.

 

ANJA FUCHS

Beitragsbild: Steiermark Tourismus/Gery Wolf