Michael Altrichter – „Ich möchte der Branche etwas zurückgeben“

Michael Altrichter | Foto: startup300
Was erfolgreiche und scheiternde Start-ups unterscheidet und warum österreichische Sicherheitsdenker oft besser nach dem Motto „Just do it“ leben sollten, verrät Business Angel und Impact-Investor Michael Altrichter.

In der breiten Öffentlichkeit bekannt wurde Michael Altrichter durch die Puls4-Show „2 Minuten 2 Millionen“, in der er fünf Staffeln lang in der Jury saß. Seit 2010 betreut er als Financier bzw. Business Angel eine Reihe an Start-ups verschiedenster Branchen und ist Aufsichtsrat-Vorsitzender der startup300-AG – Österreichs führendes Ecosystem für Start-ups und innovative Unternehmen, das seit Jänner an der Wiener Börse notiert ist.

Einen Namen in der Gründerszene machte sich Altrichter einst durch den Aufbau der paysafecard, eines ebenso einfachen wie sicheren Online-Bezahlsystems, das er gemeinsam mit Armin Sageder, Michael Müller und Richard Eilmsteiner gründete. Zu seinen aktuellen Investments zählen unter anderem Apps und E-Services wie Wikifolio, tourradar, Technologieunternehmen wie Cleen Energy und Impact Investments wie das Brustkrebsvorsorge-Programm Discovering Hands, zu seinen Exits bzw. Verkäufen unter anderem die paysafecard und Payolution, ein Bezahlsystem für Betreiber von Online-Shops. VIA traf Altrichter zum Gespräch.

Sie sind heute einer der aktivsten österreichischen Business Angels und Impact-Investoren und aktuell an rund 30 Start-ups beteiligt. Wie wurden Sie eigentlich zum Unternehmer? Sie haben doch eigentlich Technische Physik studiert?
Nun ja, als Physiker in Österreich einen Job zu finden, ist nicht ganz einfach. Nach zwei leeren beruflichen Wanderjahren hat es sich relativ rasch ergeben, dass ich gemeinsam mit drei Kollegen die paysafecard ins Leben rief. Nach einigen Jahren voller Anlaufschwierigkeiten wurde die Card sehr erfolgreich, mittlerweile werden jährlich mehr als 100 Millionen davon gekauft und eingelöst und wir konnten das Unternehmen erfolgreich verkaufen. Daraufhin wollte ich der Branche bzw. anderen Unternehmern etwas zurückgeben, was ich selbst erleben durfte und habe begonnen, in Start-ups zu investieren und diese als Business Angel zu unterstützen.

Michael Altrichter | Foto: Cityfoto/startup300

Foto: Cityfoto/startup300

Sie sind auch Impact-Investor. Was versteht man genau darunter?
Über den Begriff Impact-Investment bin ich im Rahmen der Fernsehshow „2 Minuten 2 Millionen“ gestolpert. Er bezeichnet das Fördern von sozialem Unternehmertum – sprich von Unternehmen, die ihren Profit in erster Linie an der Lösung eines gesellschaftlichen Problems messbar machen. Ein Beispiel dafür ist Discovering Hands, ein Projekt, das blinde Frauen zu Medizinischen Tastuntersucherinnen (MTUs) ausbildet, die im Rahmen der Brustkrebsfrüherkennung eingesetzt werden und die so aus ihrer Behinderung eine nützliche Begabung machen. Ich habe mir zum Ziel gemacht, den Impact-Investment-Ansatz zu verinnerlichen und so mit gutem Beispiel in Österreich voranzugehen. Natürlich würde ich mir wünschen, dass weitere Investoren in Österreich mit mir diesen Weg gehen und Impact-Investments in ihre Portfolios aufnehmen.

Wie sehen Sie die Situation für Unternehmer in Österreich – bürokratisch und gesellschaftlich? Und wie geht man hierzulande am besten damit um, wenn man schon Unternehmer ist oder plant, es zu werden?
Diesbezüglich bietet Österreich Vor- und Nachteile. Per se ist der Österreicher mehr Sicherheitsdenker als Paradeunternehmer. Das zeigt sich deutlich bei Anlagen, wo risikoarme Bausparer bzw. Sparbücher noch immer die beliebtesten Formen sind und in Aktien eher spärlich investiert wird. Insofern gibt es meiner Meinung nach gesellschaftlichen Nachholbedarf. Es sollte viel mehr nach außen getragen werden: Gründen ist cool, Unternehmer sein macht Spaß und treibt Wirtschaft und Innovationen voran. Da braucht es in Österreich noch ein Umdenken von allen Seiten.

Was wiederum positiv ist: In Österreich wird stark durch die öffentliche Hand gefördert. Und während der letzten Jahre hat sich hier eine ganz tolle Start-up-Szene entwickelt, nicht zuletzt durch die Gründung der AAIA (Austrian Angel Investors Association, eine Interessensvertretung für Business Angels), dem Börsegang von startup300 (dem größten Ökosystem für Start-ups und Innovatoren sowie Innovative Corporates) und nicht zuletzt durch die TV-Show „2 Minuten 2 Millionen“.

Start-ups gibt es heutzutage wie Sand am Meer, aber nur einige schaffen wirklich den Durchbruch. Was sind die Hauptgründe fürs Scheitern?
Man muss sich über eines im Klaren sein: Scheitern gehört zum Gründen einfach dazu. Neun von zehn Start-ups scheitern. Jedes zweite neue Unternehmen scheitert daran, dass es ein Produkt kreiert, das am Markt schlichtweg nicht gebraucht wird.

Der zweithäufigste Grund ist eine falsche Zusammenstellung des Gründerteams bzw. interne Streitigkeiten. Geraten die falschen Gründer aneinander oder werden innerhalb eines Teams nicht alle Kompetenzen abgedeckt, ist die Wahrscheinlichkeit, dass ein Start-up failt, relativ hoch. Der dritte Grund hört sich klassisch an: Geldmangel. Das ist dann ähnlich wie in der Medizin bei Tod durch Herzversagen – nur in diesem Fall dann eben: Tod durch Geldmangel.

Wie entscheiden Sie, in welche Unternehmen Sie investieren?
Da gibt es eine Reihe von wichtigen Punkten und Fragestellungen, auf die ich achte. Erstens muss der Markt für ein Produkt ausreichend groß sein. Weiters sollte das Produkt eine technologische Neuheit darstellen bzw. das Business- oder Geschäftsmodell disruptiv sein. Disruptiv bedeutet, dass dadurch ganze Märkte aufgebrochen und die Spielregeln einer Branche verändert werden – sprich, die Idee dahinter ist neu und innovativ.

Beispiele aus der Vergangenheit sind die Digitalfotografie, Musik-Streamingdienste oder der 3-D-Druck. Allerwichtigstes Entscheidungskriterium ist für mich allerdings das Gründerteam und ebenso das gegenseitige Vertrauen und die Wertschätzung zwischen Gründern und Investoren – sind diese Faktoren nicht gegeben, ist ein Start-up von vornherein zum Scheitern verurteilt. Anders gesagt: Ein gutes Team hat auch mit einem schlechten Produkt eine Chance – ein schlechtes Team versemmelt mit Sicherheit auch ein richtig gutes Produkt.

Denken Sie, dass die Menge an Start-ups in Zukunft eher sinken oder steigen wird?
Die Menge an Start-ups steigt zum Glück. Es gibt immer mehr Gründer, die sich drübertrauen, immer mehr diesbezügliche Veranstaltungen, die Szene wächst und wächst. Nicht ganz so optimal ist leider, dass sich das Verhältnis von guten zu schlechten Start-ups derzeit etwas nach unten bewegt. Gute Start-ups muss man momentan wirklich mit der Lupe suchen, das war vor zehn Jahren noch etwas anders. Absolut gesehen gibt es zwar mehr gute Start-ups als früher, aber im Wildwuchs der Gründerszene ist es deutlich schwieriger geworden, die guten zu finden.

In welchen Branchen sollte sich ein Start-up in den kommenden Jahren einnisten, um Erfolg zu haben?
Vielversprechend sind auf jeden Fall alle Hightech-Branchen wie Health-Tech, neue Lebensmittel bzw. Food-Revolution, der IKT-Bereich (Informations- und Kommunikationstechnologie), künstliche Intelligenz oder selbst fahrende Fahrzeuge.

Wenn Sie jungen Unternehmern Ihre wichtigsten Tipps zusammenfassen müssten, welche würden das sein?
Erstens: einfach ausprobieren und starten – just do it! Zweitens: Dranbleiben, auch wenn es schwierig werden sollte. Und früher oder später wird es auf jeden Fall schwierig – das Tal der Tränen bleibt keinem Start-up erspart. Drittens: Mit Gefühl, Herz und Hirn und dem richtigen Maß an Menschlichkeit an die Sache herangehen – dann wird sich auch der Erfolg einstellen.

INTERVIEW: ANJA FUCHS

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DI Michael Altrichter
www.michaelaltrichter.pro

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