Normal ist, was öfter vorkommt als etwas anderes

Alf Poiers Schrägheit ist sein Erfolgsgeheimnis. Warum die Nahrungssuche sein Hauptproblem ist, seine Einrichtung auf Rollen steht, er heute kein Austropopper ist und ihm wirklich fad sein muss, damit ihm was Gescheites einfällt.

Als ich den Interviewtermin mit Alf Poier fixieren will, kommt der Kabarettist gerade aus dem Feistritzgraben seiner Murtaler Heimatgemeinde Rothenthurm zurück. Seiner „wirklichen, wahren Heimat“. Wenn er könnte, würde er dort sterben. Beim Schwammerlsuchen. Nach zweijähriger, gesundheitsbedingter Bühnenpause ist der selbst ernannte Beziehungsphobiker („Ich liebe Frauen, kann aber mit keiner zusammenwohnen“) wieder zurück auf der Bühne. Mit neuem Programm („The making of DADA“), Ausstellungen und seinem Kunstbuch „123 Meisterwerke“.

 

 

Zum Interview treffen wir uns in einem Judenburger Kaffeehaus. „Ich bin so normal geworden“, eröffnet Alf Poier von sich aus das Gespräch. Normal? Alf Poier? Der eigentlich dafür bekannt ist, bei allem was er tut, schräg und manchmal auch grotesk zu sein? Sei es als Sänger, Kabarettist oder Maler. „Na ja, früher hab ich ja gar nicht gewusst, wovon ich leben soll, ich hab bestimmt 40 Mal gekündigt. Hab nach der HAK-Matura bei der Raika gearbeitet, war Nachtwächter, im Büro, Möbelträger, Kellner, Abwäscher, Griller, Profimusiker, Zeitsoldat, Rußputzer, mehrmals Student, allerdings immer Abbrecher, Anzeigen- und Türenverkäufer und Billa-Filialleiter.“ Gewusst hat er immer schon, dass er auf der Bühne stehen will, nur zum Leben hat’s leider nicht gereicht. Und wann kam der Durchbruch? „Mit 28 hab ich ‚Himmel, Arsch und Gartenzwerg‘ herausgebracht. Zwei Jahre später war schon alles ausverkauft. Eigentlich hab ich mehr erreicht, als ich wollte.“ Und privat? Ist Alf Poier da ebenso skurril wie auf der Bühne? „Normal ist einfach, was öfter vorkommt als etwas anderes“, lacht der Künstler.

„Mir ist eigentlich wahnsinnig fad“

Bekannt wurde Alf Poier als Kabarettist, seine bildnerischen Kunstwerke und Objekte waren aber immer schon Teil seiner Programme. Über Jahrzehnte hat er Hunderte Bilder, Objekte und dadaistische Konstrukte geschaffen – zusammengefasst ist Poiers Lebenswerk im Buch „123 Meisterwerke“. Geändert hat sich über die Jahre auch der Umgang mit seinen Werken: „Früher haben die Techniker nach der Show die Bilder in den Schnee gehaut, jetzt haben sie weiße Handschuhe an“, lacht Poier, der seine Inspiration im Nichtstun findet. „Wenn man viel Zeit hat, fällt einem was ein und mir ist oft so wahnsinnig fad.

Aber ich finde ja, dass das Nichtstun die höchste Kunst des menschlichen Seins überhaupt ist. Wenn dir das reine Sein genügt, du dir selbst ausgeliefert und trotzdem glücklich bist, dann bist du Meister des Lebens.“ Poiers Kunstwerke sind lustig, im Stil eigenartig und schrägt, aber – wie er selbst sagt – sinnlos. „Ich bin in der Kontemplation und im absoluten Schwachsinn fündig geworden.“

Mann der Extreme

Was fällt Alf Poier eigentlich zum Thema der aktuellen Ausgabe „aus dem Vollen“ ein? „Ich glaube, dass immer alles aus dem Vollen ist. Wir sehen es nur manchmal nicht, weil wir uns vom Universum abgespalten haben. Dreck ist auch voll.“ Zu Hause geht’s beim Kabarettisten jedoch eher spartanisch zu: „Meistens habe ich nix im Kühlschrank. Die Nahrungssuche war immer mein Hauptproblem im Leben.“

Überhaupt hat der Künstler kaum materiellen Besitz. Das Wenige, was er sein Eigen nennt, steht auf Rollen. „Damit ich schnell wegkann.“ Mit einer Frau hat er nur einmal zusammengewohnt, und zwar mit der ersten Freundin. „Wenn man ständig zusammen ist, kommt schnell ein Sättigungsgefühl. Außerdem arbeite ich so schon so viel, ich will nicht auch noch an einer Beziehung arbeiten müssen.“ Eine Familie war ohnehin nie geplant: „Meine Kinder sind die geistigen, jedes Bild und jede CD.“
Eine wirklich enge Beziehung pflegt Alf Poier zur Natur. Beim Waldspaziergang kommt er runter, wird im Kopf klar. „Das brauche ich.“ Und was braucht der Künstler noch? „Ich bin endorphinsüchtig. Und das kriege ich nicht beim Staubsaugen zu Hause – fürchterlich. Deswegen geh ich am Abend fort, damit ich Leute treffe, am Tag war’s eh fad.“ Überhaupt ist er ein Mensch der Extreme. „Privat ist es wenig, auf Tour zu viel. Es gibt kaum Mitte in meinem Leben.“

„Das Leben kann man nicht üben“

In seinem aktuellen Programm „The making of DADA“ hält Alf Poier Rückschau auf sein Leben. Er zeigt ausgewählte Bilder aus seinem dadaistischen Gesamtkunstwerk und liest zudem aus seinen Tagebüchern, die auch wunderbare Liebeslieder enthalten.

Der Kabarettist verrät, dass er eigentlich Austropopper werden wollte, sich aber keine Plattenfirma für seine gefühlvollen Songs interessiert hat. „Je schräger ich wurde, desto mehr Leute wollten mich sehen.

“ Kabarettist, Maler, Sänger – all das hat Poier nie geübt. „Ich habe nie malen und singen geübt. Ich mache es einfach. Üben ist fad. Das Leben kann man ja auch nicht üben, da wirst du reingeschmissen.“

Bleibt zum Schluss die Frage nach den ­Zielen. Als ich Alf Poier darauf anspreche, fällt die Antwort wirklich ganz normal aus: „Eigentlich will ich nichts Großartiges. Ich wünsche mir, mein wahres Zuhause zu finden, wo ich mich daheim fühle, und eine dazu passende Frau.

Aber bitte mit ­Sicherheitsabstand, das schadet nie.“ Ach ja, ein letztes, vielleicht etwas schräges Ziel hat der Kabarettist dann doch noch: ­„Dieses Schnelllebige – fürchterlich. Ich will der letzte Erlagscheinzahler Österreichs sein.“

 

Alf Poier live

The making of DADA
16.09. Wien, Schutzhaus Zukunft
23.09. Deutschlandsberg,
Ebene2/Raika
13.10. Graz, Casino
19.10. Mautern, Römerhalle
24.10. Berndorf, Stadtsaal
24.11. Voitsberg, Stadtsäle
25.11. Bad Radkersburg, Zehnerhaus
30.11. Knittelfeld, Kulturhaus
www.alfpoier.at

ELISABETH KRANABETTER

Fotos: Reinhard Mayr
Beitragsbild: Jaqueline Traxler