Paris entlang des Nils

Kairo | Foto: Alex Azabache
Westlicher Lifestyle trifft islamische Tradition: Wer Kontrastprogramm pur sucht, kommt um Kairo nicht herum. Eine Stadt mit zwei Gesichtern – und einem Weltwunder gleich ums Eck.

„El Qahira“ – die Siegreiche, die Bezwingerin. So lautet der arabische Name Kairos. Bis 969 nach Christus reicht die Geschichte der heutigen Metropole zurück. 973 n. Chr. wurde sie vom Dorf zur Hauptstadt der islamischen Dynastie der Fatimiden – und hört seitdem nicht mehr zu wachsen auf. Einst meilenweit davon entfernt, erstreckt sich Kairo mittlerweile bis zum Fuß der Pyramiden von Gizeh. Rund 21,3 Millionen Einwohner zählt die ägyptische Hauptstadt – und ist damit nicht nur die bevölkerungsreichste Stadt des Nahen Ostens, sondern ganz Afrikas. Fast unnötig zu erwähnen, dass Kairo auch als wirtschaftliches, politisches und kulturelles Zentrum Ägyptens fungiert.

Kontrastprogramm

Wer nach Kairo kommt, muss als Erstes einmal eines: sich zurechtfinden. Schier überwältigend wirkt das bunte Potpourri aus islamischen und modernen Elementen, das sich im Rahmen der Jahrhunderte hier angesammelt hat. Das Zentrum ist klar europäisch geprägt – ein architektonischer Mix aus Art déco, Neo-Rokoko und Jugendstil fordert das Auge. Nicht umsonst wird Kairos Zentrum auch gerne als „Paris entlang des Nils“ bezeichnet. Verantwortlich dafür ist unter anderem Ismail Pascha, der im 19. Jahrhundert regierte und europäische Architekten damit beauftragte, die Innenstadt aufzufrischen. Wobei sie sich sichtlich nicht zurückhielten! Hier, im Zentrum, herrscht westliches Flair. Großzügige Plätze, brodelnde Boulevards, internationale Hotelketten, Shops, Bars und Restaurants bestimmen das Ortsbild. Auch das Parlament, die Oper und Museen wie das populäre Ägyptische Museum sind hier angesiedelt. Dem gegenüber steht die islamische Altstadt Kairos – seit 1979 übrigens Teil des Unesco-Weltkulturerbes. Zwischen den rund 600 historischen Gebäuden weht hier ein anderer Wind als im modernen Teil der Stadt – zwar ebenso turbulent, aber wesentlich traditioneller.

Enge Gassen in Kairo | Foto: Alex Azabache

Enge Weite, Trubel, Gewürze, Kleidung und
Souvenirs: auf den traditionellen Basars
wird gefeilscht, was das Zeug hält | Foto: Alex Azabache

In den verwinkelten Gassen ist es eng, viele Gebäude sind baufällig. Dazwischen spielen Kinder, wird um Waren gefeilscht. Einer der – vor allem bei Reisenden – beliebten Basars ist der „Khan el Khalili“, wo Händler bereits seit dem 14. Jahrhundert ihre Ware anpreisen. Neben den Märkten fallen in Kairos Altstadt vor allem die zahlreichen Moscheen auf, allen voran die Al-Azhar-Moschee. Eine Institution, die mit ihren Schriftgelehrten ägyptenweit als islamische Autorität gilt.

Seit 1961 als moderne, staatliche Volluniversität anerkannt, kann hier mittlerweile auch Medizin, Wirtschaft und Technik studiert werden. Moscheen gibt es in Kairo Tausende, davon allein in der Altstadt rund 500 – von deren Minaretten fünf Mal täglich der Gebetsruf schallt. Worauf man vorbereitet sein sollte: Neigen sich Millionen Menschen zum Gebet, steht auch der Verkehr großteils still. Und: Zusätzlich zu westlicher Welt und dem Islam treffen in Kairo auch Arm und Reich aufeinander. Ein Gegensatz, der quer durch die Stadt sicht- und spürbar ist. Im Zentrum tobt viel Reichtum, in der „Stadt der Toten“, den ehemaligen Friedhofsbezirken der Altstadt, haben sich mittlerweile die Ärmsten der Armen angesiedelt.

Sehens- und Essenswertes

Zu den Sightseeing-Hotspots der Altstadt zählt definitiv die Zitadelle von Saladin, eine der wenigen erhaltenen befestigten Anlagen Kairos und auch eines seiner Wahrzeichen. Hier genießt man nicht nur beeindruckende Architektur, sondern auch einen perfekten Panoramablick bis hin zu den Pyramiden
am Horizont. Definitiv einen Besuch wert ist auch das bereits erwähnte am Tahrir-Platz im Zentrum gelegene Ägyptische Museum. Rund 150.000 Artefakte gibt es hier zu bestaunen, darunter Schätze aus dem Grab des Tutanchamun oder mumifizierte Überreste von Tieren und Menschen. Ebenfalls auf die Kairo Bucket-List sollte die Nilinsel Gezira – quasi eine kleine, eigene Inselstadt, bunt bebaut mit Wohnanlagen, Hotels, Denkmälern, Museen, Parks, Sportanlagen, Bars und Restaurants. Apropos Restaurant: Die ägyptischen Nationalgerichte nicht zu probieren, wäre schade. Denn so simpel sie auch klingen mögen – schmackhaft sind sie allemal. Da wäre zum Beispiel Mulukhiyah – eine grüne Suppe, gekocht aus einem spinatähnlichen Malvengewächs. Oder Kuschari, in Ägypten eine der günstigsten Speisen überhaupt und quasi als Fast Food gehandelt – hauptsächlich bestehend aus Reis, Linsen, Kichererbsen, Nudeln, Tomatensauce, Zwiebeln und Knoblauch. Wer’s ausgefallener mag, bestellt einfach Hammam Mahshi und bekommt gefüllte und gebratene Tauben serviert.

Weltwunder erleben

Pyramiden von Gizeh | Foto: Spencer Davis

Pyramiden von Gizeh | Foto: Spencer Davis

Ist man schon vor Ort, darf man sich natürlich auch das einzige noch erhaltene der sieben Weltwunder der Antike nicht entgehen lassen. Schließlich liegen die Pyramiden von Gizeh quasi vor der Haustür, oder besser gesagt gleich am Stadtrand. Nach einer rund 20-minütigen Taxifahrt vom Zentrum aus erreicht man die drei mächtigen Zeitzeugen, befindet sich plötzlich Angesicht zu Angesicht mit der majestätischen Sphinx. Gegen Eintritt kann man die etwa 2620 bis 2500 v. Chr. erbauten Riesen (die Cheopspyramide misst 139 Meter) auch von innen besichtigen. Ein Tipp zum Schluss: Die Pyramiden am besten frühmorgens aufsuchen – mittags wird es heiß! Vor allem Hitzeempfindliche sollten ihren Kairo-Trip sowieso besser für die Herbst- oder Frühlingsmonate planen. Im Sommer steigen die Tagestemperaturen gut und gerne mal auf über 40 Grad, während sie selbst im Winter selten unter 20 Grad sinken.

 

 

ANJA FUCHS

Beitragsbild: Alex Azabache