Prickelnde Zeiten

In der Steiermark brodelt sie schon länger:
die hiesige Sektkultur, die mit einer Riesen­bandbreite an Stilen zeigt, dass das überschäumende Zeitalter gerade erst anbricht.

Schauplatz: Villa Hollerbrand. Am Fuße des Seggauer Bergs in Leibnitz. Die Nebelschwaden steigen nach einem Frühlingsregen dampfend aus der Erde auf. Die Villa wacht erhaben über das Spektakel. An der gläsernen Eingangstür der Villa aus dem Jahr 1897 steht Winzer und Sektproduzent Hannes Harkamp: Heute ist die Zeit gekommen, die Sektpalette der Steiermark einer Prüfung zu unterziehen. Auf Sektperle komm raus.

Die übrigen Winzer haben sich bereits vor den Rüttelpulten und Grundweinfässern der Villa im Verkostungsraum versammelt. Jeder mit seinem eigenen Sekt und seiner Herstellungsphilosophie im Gepäck. Ja, dieser Abend in der Sektmanufaktur verspricht prickelnd zu werden.

 

Vergessene Tradition

Den Anfang machen Ingrid und Georg Regele mit ihrem Schilchersekt. „Sekt und vor allem der aus der Blauen Wildbachertraube, die ja für den Schilcher verwendet wird, hatte in der Steiermark lange Tradition. Schon in den 30er-Jahren war der Schilchersekt der Traditionssektkellerei Kleinoscheg eine Größe in der heimischen Weinwelt. Irgendwann ging dieses Handwerk dann beinahe verloren“, klärt Georg Regele auf. Wie schade das gewesen wäre, zeigt die feine Perlage, die begleitet von lebendiger Säure munter über den Gaumen prickelt. Fein. Der Gaumen ist munter und angekitzelt, für weitere hochwertige Sekte aus der Steiermark.

Johann Schneeberger jun. verfolgt mit seinem Muskatellersekt einen anderen Ansatz. Die Frische und die Traubigkeit der Rebsorte, für die die Südsteiermark steht, sollen erhalten bleiben. Die Lebensfreude mit Perlen versehen werden. Und doch soll der Sekt eine Ernsthaftigkeit mit sich bringen: Diese steuern Produktion und Lagerung, die gemeinsam mit Hannes Harkamp in der Villa Hollerbrand erfolgen, bei. Flaschengärung also!

Der Sekt wird gleich hergestellt wie Champagner. Die Gärung des Grundweins erfolgt in der Flasche. Die dabei entstandene Kohlensäure kann nicht entweichen und manifestiert sich in feinen Bläschen im Wein. Im Muskatellerwein. Schneebergers prickelnder Gruß aus den südsteirischen Weinbergen.

 

Die Regeles hatten bei ihrem hochwertigen steirischen Muskateller-Traubengut gleichzeitig auch das Piemont im Hinterkopf. In der Heimat des Asti stellt man diesen Sekt mittels eines speziellen Tankgärverfahrens her, das die Fruchtigkeit besonders betont. Diese Methode funktioniert auch bei steirschen Muskatellertrauben wunderbar. Eine Traube, eine steirische Herkunft und zwei komplett unterschiedliche Weine.

Der Gaumenschmeichler dieser Runde ist der Muskatellersekt aus dem Hause Kästenburg. Seit 400 Jahren macht man auf der Burg an der Südsteirischen Weinstraße Wein, seit 20 Jahren auch Sekt. Dieser Muskatellersekt ist mit 22 Gramm Restzucker nicht mehr auf der trockenen Seite angesiedelt und vermählt die Traubigkeit des Muskatellers mit Cremigkeit am Gaumen. Ein sehr charmanter Wein, bei dem man auf der heimischen Terrasse bestimmt überrascht ist, dass die Flasche plötzlich wie von selbst leer ist.

 

 

Klare Fronten

Kontrastprogramm zu diesem Stil ist Hannes Harkamps Sauvignon Blanc Extra Brut. Er zeigt, dass Straffheit und Mineralität sehr wohl auch in der Steiermark beheimatet sind.
Sein Zero Dosage 2013 lässt dazu dann endgültig keine Fragen mehr offen. Eine Cuvée aus Pinot noir, Weißburgunder und Chardonnay, in Hannes Harkamps Villa Hollerbrand mittels Flaschengärung, oder Methode Traditionelle, wie man noch zu sagen pflegt, in Sekt verwandelt und drei Jahre auf der Feinhefe zu großem Wein herangewachsen. „Unsere Sekte sind großartig. Und mit Leidenschaft gekeltert. Wir müssen nur auch davon erzählen und unsere Philosophie mit den Leuten teilen“, so der Sektmeister, der in seiner Manufaktur für zahlreiche Winzer versektet.
Unter ihnen Eruptionswinzer Josef Scharl, der gemeinsam mit den anderen fünf Eruptionswinzern den Eruption Brut keltert. Sekt sei schon lange kein Nebenprodukt des Winzers mehr, wie es vielleicht vor Jahrzehnten der Fall war, ist man sich einig. Leidenschaft und die Bekenntnis zu einem hochwertigen Produkt und allem, was dafür notwendig ist, trifft auf den Sekt genauso zu wie auf den Wein. Ein wichtiger Schritt, um das auch in der Wahrnehmung der Konsumenten zu verankern, ist die österreichische Sektpyramide.

 

Seit 2016 ist diese auch Gesetz. Die Pyramide teilt die österreichischen Sekte in drei Kategorien von Klassik über Reserve und Große Reserve ein. Nach dem Vorbild großer Schaumweinregionen wie der Champagne. So weiß der Kunde genau, was er sich von dem Sekt, der vor ihm steht, erwarten kann.

 

Und es wird auch klar, warum ein Sekt für zwei Euro im Supermarktregal mit einer Flasche vom Winzer in Herstellung und Geschmack nicht mithalten kann.

 

Überschäumende Landschaft

Denn Winzersekte sind ebenso wie der Wein Abbild der Landschaft, aus der sie stammen. So wie im Gemeinschaftsprojekt der Eruptionswinzer aus dem Vulkanland in der südöstlichen Steiermark. „Bei uns ist es um ein Eckerl wärmer, und das schmeckt man im Sekt auch“, sagt Josef Scharl, Eruptionswinzer vom Weinhof Scharl.

Die Cuvée aus Weißburgunder, Chardonnay und Pinot noir zeigt in einem feinen Mousseux die Finesse perfekter Handarbeit in der Sektherstellung, am Gaumen aber auch die Wärme der Region, die sich mit einer cremigen und vollmundigen Textur präsentiert. Und weil auch die Winzer Teil des Terroirs sind, ist eine Komponente dieser charmanten Mousseux, die über den Gaumen tänzelt, bestimmt auch der Leidenschaft und Liebe der Winzer für die Region geschuldet, die Winzer in nur 2000 Flaschen Sekt abfüllen.

„Im Sekt ist noch so viel Spielraum gegeben“, ist sich auch Winzer Walter Polz sicher.

Sein Chardonnay Brut aus dem Jahrgang 2011 zeigt den Weg, den Familie Polz geht. Internationale Technik, heimische Trauben. Ein Wein, in dem steirische Herkunft und französische Herstellung nach der Methode Traditionelle blubbern. Wie charmant auch die Rosésekte aus der Region sein können, zeigt der Brut Rosé vom Weingut Polz.
Den Abschluss macht die Brut Reserve 2013 des Gastgebers, die knochentrocken und straff Eindruck schindet. Die Winzer zeigen sich selbst positiv überrascht: Die Stilistiken seien so vielfältig wie die steirischen Hügel. Die Machart dabei zu jeder Zeit: professionell und leidenschaftlich.
Conclusio: Die steirischen Sekte müssen sich vor der internationalen Konkurrenz alles andere als verstecken. Mit dem Selbstbewusstsein der sattgrünen Hügelketten im Rücken hinaus in die Welt, sollte es und wird es immer öfter heißen. Zum heimischen Battle haben Petra und Hannes Harkamp am 20. Mai in selbige Villa geladen.

 


Die bereits vieles gesehen hat, aber noch kein „Bestes Frühstück der Welt“, bei dem schon in der Früh Winzerchampagner gegen heimische Sekte angetreten sind. Die Veranstaltung: prickelnd. Die Probe aufs Exempel kann man sich auch jetzt noch gerne bei einem Besuch in der Villa Hollerbrand über den Gaumen tänzeln lassen. Bis jetzt werden die Sekte noch von ihren Winzern im Zaum gehalten, aber sind die Agraffen einmal abmontiert, gibt es kein Halten mehr und das ist auch gut so.

 

 

Winzer

KulturWeingut Kästenburg
Ratsch an der Weinstraße 66 8461 Ratsch a. d. Weinstraße www.kaestenburg.at
Weingut Erich & Walter Polz
Grassnitzberg 54a
8471 Spielfeld
www.polz.co.at
Weingut Regele
Ewitsch 34
8461 Berghausen
www.regele.com
Weinhof Josef Scharl,
Eruptionswinzer
Plesch 1
8354 St. Anna am Aigen
www.weinhof-scharl.at
Weingut Schneeberger
Pernitschstraße 31
8451 Heimschuh
www.weingut-schneeberger.at

Gastgeber
Sektmanufaktur Harkamp
Seggauberg 75
8430 Leibnitz
www.harkamp.at/sektmanufaktur

 

 Fotos: Jimmy Lunghammer, Text: Nina Wessely