Slow Food und Sterneküche: Friaul-Herbst für Genießer

Friaul | Foto: Kleine Zeitung/Weichselbraun
Autorin Silvia Trippolt-Maderbacher verrät VIA ihre liebsten kulinarischen Destinationen in der norditalienischen Region Friaul-Julisch Venetien.

Warum zieht es Sie im Herbst nach Friaul-Julisch Venetien?
Weil im nahen Süden alles aufatmet. Die Touristen stapeln sich nicht wie im Sommer. Im Herbst und Winter ist die Zeit der Genussreisenden gekommen. Am Meer freuen sich die Fischer über pralle Netze – Fisch und Meeresfrüchte kommen direkt aus der Adria auf die Teller.

Außerdem verlängert sich aufgrund des milden Wetters der Sommer automatisch, die Unterkünfte sind günstiger, der Herbst zeigt wunderschöne Landschaften und in puncto Kulinarik schöpft man aus dem Vollen. Die Einzigen, die absolute Hochsaison haben, sind die Winzer. Unangemeldet bei einem Weinbauern auftauchen würde ich nicht. In den Weinbergen geht es nämlich wirklich rund.

 

Wonach duftet Friaul-Julisch Venetien im Herbst?

Friaul | Foto: Draw

Was reine Rohkost alles drauf hat, das zeigen die Gastgeber des „Draw” in Triest, zwischen Retro-Korbgeflecht und Industrie-Chic. Foto: Draw

Nach warmem Hefeteig einer frisch gebackenen Gubana, nach vollreifen Trauben, feuchten Weinkellern, knackigen Pilzen, saftigen Kaki, Zwetschkenknödeln mit brauner Butter, geräuchertem Montasio-Käse, gebratenem Wild, marmeladigen Feigen, gerösteten Kastanien, frischem Fisch und milden Meeresfrüchten. Die Tische biegen sich im Herbst. Die Geschmäcke reichen von der alpinen, gehaltvollen Bergküche bis hin zur mediterranen Meeresküche. Alles braucht seine Zeit und findet zum richtigen Zeitpunkt seinen Platz auf der Speisekarte.

 

Eine kulinarische Besonderheit?
Eindeutig der „Fogolar“. So nennt man im norditalienischen Friaul-Julisch Venetien die offene Feuerstelle, auf der Fleisch, Fisch, Gemüse oder Meeresgetier über Holzkohle gegrillt werden. Das offene Feuer knistert und auf dem Rost brutzeln allerhand Köstlichkeiten. Wo der Fogolar immer eingeheizt ist? In der Trattoria „Da Toso“ in Leonacco bei Tricesimo zum Beispiel. Ich empfehle auch das „Al Parco“ in Buttrio von Familie Meroi oder „De Toni“ in Gradiscutta di Varmo.

 

Wo die letzten Sonnenstrahlen genießen?
Auf der Terrasse der Osteria „Ramandolo“ bei Nimis – da blickt man auf Weinreben bis an die Adria. Auf den Tisch kommt bodenständige friulanische Küche. Am Meer empfehle ich das „Al Pescaturismo“ in Villaggio del Pescatore zwischen Duino und Monfalcone.

 

Was sind Ihre kulinarischen Lieblingsadressen?
Da ich vor zehn Jahren meine Hochzeit im Restaurant „Al Cacciatore de La Subida“ in Cormons gefeiert habe, verbindet mich mit den Gastgebern und dem wunderschönen Restaurant so einiges. Eine Lieblingsfischadresse ist die Trattoria „Barcaneta“ in Marano Lagunare.

Chef Claudio Moretti steht am Herd, die verschiedenen Fischvorspeisen sind genial. Über Qualität brauche ich wohl nix sagen – Marano Lagunare ist einer der wichtigsten Fischerhäfen der Region. Kulinarisch überrascht mich das Restaurant „Novecento“ auf dem Weingut „Isola Augusta“ immer wieder.

 

Die lässigsten Bars

Friaul | Antica Caffetteria Torinese

In der „Antica Caffetteria Torinese” gibt es um 10 Uhr die ersten frischen Austern, dazu cremigen Prosciutto. Foto: Antica Caffetteria Torinese

Da muss ich erwähnen, dass in Italien das Wort „Bar“ ja ganz was anderes ist. Gemeint ist damit in Italien meist ein All-in-one-Lokal von früh bis spät in die Nacht. Eine Mischung aus Enoteca, Frühstücks- lokal, Osteria, Café, Pasticceria, Greißlerei, Aperitivo-Location usw.

Ich liebe die „Antica Caffetteria Torinese“ in Palmanova. Direkt auf der Piazza. Dort werden um 10 Uhr die ersten Austern geöffnet, Prosciutto aufgeschnitten. Die Torinese wurde mehrmals zur besten Bar Italiens gekürt. Von niemand Geringerem als dem „Gambero Rosso“. Eine weitere Lieblingsbar ist das „Vatta“ in Opicina bei Triest. Ein geniales Gastro-Konzept: tagsüber „Caffè“, am Abend superlässige Weinbar.

 

Welche kulinarischen Trends sind zurzeit in Friaul-Julisch Venetien angesagt?

Friaul | Foto: Gabin Gusto Esclamativo

Außergewöhnliche Sauerteig-Pizza im Gabin Gusto Esclamativo.  Foto: Gabin Gusto Esclamativo

Mich trifft man zwar meistens in klassischen Osterien, Trattorien und Ristoranti, jedoch zeigt sich bei unseren italienischen Nachbarn eine ziemlich hippe, urbane und junge Food-Szene: mit veganen Bistros, modernen Gourmet-Fast-Food-Läden, spannenden Delis, friulanischen Brasserien usw. Eine Gourmet-Pizza aus Sauerteig erwartet Sie bei „Gabin Gusto Esclamativo“ bei Udine. Im „Draw“ in Triest serviert man ausschließlich Rohkost.

Sternekoch Marco Carraro macht Furore mit seinen friulanischen Brasserien. Das Erfolgsgeheimnis der vier Lokale: ein legeres, lässiges Pop-Interieur, dazu jede Menge Gegrilltes und viel Bier. Die Brasserien gibt’s in Pasiano di Pordenone, San Daniele und Codroipo. Und im Veneto auch – in Ponte San Nicolo bei Padua.

 

Wo kulinarische Geschenke kaufen?
Bei den Produzenten und Winzern persönlich. Aber den gigantischen Food-Store „Eataly“ in Triest sollte man sich nicht entgehen lassen. Ein Imperium mit 4.000 italienischen Produkten auf 3.000 Quadratmetern. Tipp: Gehen Sie da ja nie hungrig rein!

 

Im „Eataly” in Triest hat man auf 3000 Quadtrametern die Qual der Wahl zwischen mehr als 4000 feinen italienischen Köstlichkeiten. Foto: Eataly

 

Welche kulinarischen Veranstaltungen empfehlen Sie?
Ganz ursprünglich zeigt sich das traditionelle Kürbisfest in Venzone (27. und 28. Oktober 2018). Da ist in diesem kleinen bezaubernden Ort alles auf den Beinen. Eine besondere Stimmung herrscht beim Weinfest „Friuli doc“ im Zentrum von Udine.

Alles passt: die Winzer, die Weine, das Ambiente (13. bis 16. September). Einzigartig: Das „Jazz & Wine of peace“-Festival in Cormons vom 23. bis 28. Oktober 2018.

 

Verraten Sie uns noch ein paar Geheimtipps?
Gerne! Die liegen alle in Westfriaul. Die Gegend westlich der Schinkenhochburg San Daniele kennen wenige. Die endlosen Arkaden der Stadt Pordenone, die Steppenlandschaft der Margredi, das Weltnaturerbe der Dolomiten, die Hunderten Messerschmieden in Maniago, die bunten Mosaike in Spilimbergo und Sacile, der Garten der Serenissima, katapultieren diese Region quasi von selbst in den Geheimtipp-Status.

 

Wo gibt es so richtig typisch friulanische Küche?
Im „Ai Cacciatori“ in Cavasso Nuovo. Slow Food vom Feinsten. 30 Kilometer nördlich von Pordenone dreht sich vieles um die „Pitina“, eine ganz spezielle Wurstspezialität.

Oder bei „Da Mario“ in Prepotto. Das Lokal der Familie Grassi steht für gelebte Gastlichkeit und Lebensfreude. Eine wunderbare Osteria ist „Il Favri“ in San Giorgio della Richinvelda.

 

Friaul | Foto: Agli Amici

Top-Gastronomie mit Charme im „Agli Amici”. Foto: Agli Amici

Sterneküche?

Das „Agli Amici“ bei Udine ist das meistausgezeichnete Restaurant. Emanuele Scarello kocht energiereich und durchdacht. Ein wunderbarer Tipp ist die „Osteria Altran“ in Ruda. Hinter der Osteria verbirgt sich ein Restaurant von Welt. Immer wieder sind wir bei Spitzenkoch Andrea Canton in San Quirino zu Gast. Ein toller Familienbetrieb mit Michelin-Stern.

NINA WESSELY

 

Info

Friaul | Foto: Steiner Foto

Foto: Steiner Foto

Die Autorin und Journalistin Silvia Trippolt-Maderbacher kam nicht wie die Jungfrau zum Kind, sondern wie die Journalistin zum Koch des Jahres. Der Rest ist Geschichte … die einer Institution österreichischer Gastronomie sowie vieler kulinarischer Reisebücher, die Lust darauf machen, selbst auf Tour zu gehen.

www.zumbaeren.at

 

Buchtipp
Silvia Trippolt-Maderbacher hat sich aufgemacht, um die besten kulinarischen Adressen (knapp 400) in der norditalienischen Region Friaul-Julisch Venetien zu entdecken. So erscheint der Genuss-Guide komplett überarbeitet und neu recherchiert.

Friaul

Silvia Trippolt-Maderbacher: Genießen in Friaul. Das Beste zwischen Bergen und Meer.
Styria, 192 Seiten, 24,90 Euro
www.styriabooks.at

 

Beitragsbild: Kleine Zeitung/Weichselbraun