St. Peter-Ording – Deutschlands schönste Sandkiste

Foto: iStock/Jan-Otto | St. Peter-Ording
2000 Fußballfelder Strand, dazu der frischste Fang aus der rauen Nordsee: ein herzhaftes Moin aus dem stürmischen St. Peter-Ording!

Wem die 90er-Serie „Gegen den Wind“ ein Begriff ist, der kennt auch St. Peter-Ording – Schauplatz des damaligen Quotenknüllers, der aus dem Leben zweier Windsurfer in Nordfriesland erzählt. Zugegeben, leichte Unterhaltung! Dafür entschädigt aber eine Kulisse, die es in sich hat. Denn die Chance, dass einem beim Anblick des Ordinger Strands der Mund offen bleibt, ist hoch. Bis zu zwei Kilometer breit und zwölf Kilometer lang schmiegt sich „Deutschlands Sandkiste“, wie „SPO“ auch gerne genannt wird, an der Westspitze der Halbinsel Eiderstein ans Ufer der Nordsee. Dazu ein rund ein Kilometer langer Holzsteg zum Strand. Ein Ort, an dem Weite definitiv eine andere Bedeutung bekommt.

Foto: iStock-juliken2000 | St. Peter-Ording

Wie vielen Postkarten der 41,5 Meter hohe Westerheversand schon als Motiv diente, ist nicht bekannt. Foto: iStock-juliken2000

Hie und da durchbricht ein charmantes Potpourri aus Strandkörben die Geradlinigkeit des endlosen Strandes, und schon von Weitem stechen auch ein paar hohe Pfahlbauten ins Auge. Ein faszinierender Anblick, der von der Rauheit der Nordsee mit ihrem enormen Tidenhub zeugt. Sogar das strandeigene Sanitäranlagen-Häuschen thront hier auf schwindelerregend hohen Stelzen!

Einen Abstecher wert ist jedenfalls die Strandbar 54°Nord, ebenfalls ein Stelzenhaus, erbaut 1911, gelegen am Strandweg Nr. 999 (!) und mit Öffnungszeiten, die sich nach den hiesigen Naturgewalten – sprich Sturmflut und Hochwasser – richten. Die Location jedenfalls ist einzigartig, der Ausblick von der Meeresterrasse weckt Demut. Dazu wird in der Küche Kreatives aus regionalen Zutaten kredenzt, die Tageskarte bietet einen Mix aus Nordsee-Schätzen – von frischen Austern, Hering über Steinbeißer bis hin zu internationalem Hip-Food inklusive Steak und Cheesecake. Pfahlbau-Restaurants gibt es aber auch noch weitere, etwa das Arche Noah oder die Seekiste.

Nordisch by nature

Wer Actionurlaub erwartet, wird bei der Ankunft in St. Peter-Ording vermutlich erst einmal enttäuscht sein. Der erste Eindruck des ehemaligen nordfriesischen Kurorts, mittlerweile See- und Nordseeheilbad sowie beliebter Ferienort der Deutschen, mutet – milde ausgedrückt – etwas verschlafen an. Und auffallend ordentlich: Friesische Reetdächer schmiegen sich an Backsteinhäuser, die Wiesen piekfeinst gemäht, nichts scheint aus der Reihe zu tanzen. Durchbrochen wird die Ruhe bloß hin und wieder durch ein herzhaftes „Moin!“, den typischen Gruß der Norddeutschen, der überall und zu jeder Tages- und Nachtzeit funktioniert „Moin, moin“, wie motivierte Touristen gern zu sagen pflegen, gilt unter den redekargen Nordlichtern übrigens schon als Dialog – oft aber auch als unnötiges „Gesabbel“.

So ruhig es auf den ersten Blick auch wirken mag – unterschätzen sollte man das 4000-Seelen-Dörfchen mit seinen vier Ortsteilen Böhl, Dorf, Bad und Ording trotzdem nicht. Wer hier Action will, bekommt diese auch – und nicht zu knapp! Durch die hohe Windwahrscheinlichkeit vor Ort gilt St. Peter seit eh und je als Eldorado für Wind- und Kitesurfer. Nicht selten fegen hier Windstärken von sieben bis zehn Beaufort übers Land und peitschen die Nordseewellen mehr als mannshoch auf. Weshalb St. Peter-Ording auch Austragungsort zahlreicher Drachenfestivals und der größten Kitesurf-Messe der Welt ist. Tipp für Adrenalinjunkies: Ein Kitesurf- oder (für Wasserscheue) Strandsegel- oder Strandbuggy-Kurs lässt den Puls garantiert ins Dreistellige steigen.

„Sturm ist erst, wenn die Schafe keine Locken mehr haben.“
Norddeutsches Sprichwort

Watt willste?

Auch wer’s sportlich gern ruhiger angeht, findet in St. Peter-Ording genug zu tun. So lassen sich Ort und Umgebung perfekt mit dem Fahrrad erkunden – in der Ebene geht es angenehm unangestrengt dahin, man kann sich ungestört auf die friesische Landschaft konzentrieren. Grüne Deiche, unzählige Schafe, pittoreske Friesenhäuser inklusive.

Foto: iStock-FoTToo | St. Peter-Ording

Foto: iStock-FoTToo

Auch einen typischen Nordseebrauch sollte man ausprobiert haben: das Wattwandern bei Ebbe. Dabei begibt man sich, am besten geführt von einem Watt-Guide, auf die Suche nach den „small fives“ des Meeresbodens – Wattwurm, Wattschnecke, Herzmuschel, Strandkrabbe und Nordseegarnele. Neben allen meeresbiologischen Infos, die man bei einer Wanderung bekommt, wirkt das Waten am Schlick herrlich entspannend. Wer mag, kann sich auch nach Bernstein umsehen, dem fossilen Harz, das vor allem nach Frühlings- und Herbststürmen großzügig angespült wird.

Noch etwas Sachunterricht gefällig? Rund zehnmal pro Jahr überschwemmt die Nordsee das gesamte Vorland von St. Peter. Dadurch entsteht ein spezieller Mix aus Flora und Fauna, die Salzwiese – ein einzig­artiger, rund 720 Hektar großer Lebensraum, der etwa 50 verschiedene Vogelarten beheimatet.

Hunger?

Als Stärkung nach einer Erkundungstour probiert man sich am besten durch die endlosen Varianten an Fischbrötchen – natur, mit Kräutern wie Dill, mit Remoulade, wie man’s eben mag. Nicht zu vergessen die zahllosen charakteristischen Fischgerichte, vom Matjes über Geräuchertes bis hin zur Nordseekrabbe in verschiedensten Formen. Probiert haben sollte man unbedingt ein Halligbrot, ein herzhaftes Brot mit Spiegelei, Krabben und Butter von der Hamburger Halbinsel Hallig, sowie die Seefahrerspeise Labskaus aus Pökelfleisch, Kartoffeln, Zwiebeln, Matjes, Roten Rüben und Gurken. Fischverächter bleiben in Nordfriesland aber nicht mit knurrendem Magen sitzen – immerhin beherbergt die landestypische Küche auch viel Fischloses, wie mächtig sahnigen Grünkohl, diverse Flammkuchen (toll etwa im Schweizerhaus in Tating kurz vor St. Peter-Ording) oder herrlich zartes, fettarmes, aromatisches Salzwiesenlamm.

Naschkatzen sollten sich keinesfalls die Friesentorte mit Blätterteig, Schlag und Pflaumenmus und die Friesenwaffeln mit Pflaumen oder roter Grütze entgehen lassen. In Sachen Süffig-Flüssiges kommen in Schleswig-Holstein neben Pharisäer (Kaffee mit Rum und Schlagobershaube) gerne Köm, ein spezieller Teepunsch, und Eiergrog auf den Tisch bzw. die Theke. Da passt dann der beliebteste Trinkspruch der Nordlichter: „Nich’ lang schnacken, Kopp in Nacken!“

Must-sees in Friesland

Definitiv besuchenswert ist Deutschlands populärster Leuchtturm, der Westerheversand. Am besten, man fährt mit dem Hitzlöper, einem kleinen Zug, bis zum Parkplatz und spaziert die 2,5 Kilometer über die Salzwiese zum Leuchtturm, der mit 41,5 Meter Höhe einen atemberaubenden Ausblick über Eiderstedt bietet. Ein Muss für Nostalgiker: das Nordlicht-­Kino im Ortsteil Bad, in dem die Zeit stehen geblieben scheint. Im einzigen Kinosaal steht vor jedem plüschigen Sessel ein Tischchen mit Lampe, Knabbereien und Getränke können auch während der Vorführung nachbestellt werden.

Nur eine halbe Autostunde entfernt liegt Friedrichstadt, dank bunter Treppengiebelhäuser und zahlreicher Grachten auch als „Holländerstadt“ bekannt. Für Seefeste empfiehlt sich ein Ausflug auf die Insel Helgoland, Deutschlands einzige Hochseeinsel, zu erreichen ab Büsum (rund 35 Kilometer von St. Peter-Ording) per Schiff. Dort wartet ein beeindruckendes Naturschauspiel aus rauen Klippen, endlosen Stränden und niedlichen Robben. Ahoi!

ANJA FUCHS

 

Mehr Informationen

www.st-peter-ording.de

 

Beitragsbild: iStock/Jan-Otto