St. Petersburg – Wir besuchen die Kirsche Russlands

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Paläste, Zaren, Blinis: Wo Chai und Newa fließen, sind Designer, Strandpartys und wohltuende Birkenzweige zu Hause. Das aufstrebende St. Petersburg im Porträt.
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Süße Wareniki – Teigtaschen gefüllt mit Kirschen. Foto: Vaobullan – stock.adobe.com

Der russische Sommer schmeckt eindeutig nach Kirschen. Die kleinen, roten Früchte wachsen etwa in den üppigen Gärten der Datschas, der Sommerhäuser der Russen, die längst zum Kulturgut zählen. Datschas stammen noch aus den Zeiten der Sowjetunion. Damals wurden die Leute zu Gärtnern gemacht, damit sie das Land beackern. Ihnen wurden Grundstücke zugeteilt, die heute als grüne Wochenendoasen dienen.

„Bei einem Besuch in St. Petersburg sollte man ohnehin zumindest einen der vielen Vororte besuchen. Sie zeichnen sich nicht nur durch ihren großen Grünanteil aus, sondern beherbergen auch den einen oder anderen Palast“, empfiehlt Aleksandr Leljak, gebürtiger Russe, Produktdesigner und Fotograf, der aktuell im Forschungsprojekt „Light Matters“ an der Med Uni Graz ein neuartiges Messgerät für Nanopartikel mitentwickelt.

Leljaks Tipp: mit dem Boot nach Peterhof düsen und oder in Puschkin günstige Leihräder mieten und damit die riesige Parkanlage des Katharinenpalasts erkunden.

Cherry, Cherry Lady

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Fast wie Zuckerguss: Auf einer
Bootsfahrt durch St. Petersburg erlebt
man die Bluterlöserkirche wohl am
eindrucksvollsten. Foto: iryna1 – stock.adobe.com

Ja, mit St. Petersburg ist gut Kirschen essen. Verpackt als Wareniki, zu Deutsch Teigtaschen, schmecken sie leicht und saftig – mit einem Klecks Schlagobers nahe am Himmlischen. Bis heute streiten sich die Gemüter über den Ursprung der Süßspeise. Die gängige Version ist, dass sie, wie alle Teigwarengerichte, aus China stammt. Doch andere wiederum behaupten, dass Wareniki die türkische Version des Gerichts „dusch-wara“ sind, das ebenso aus verschiedenen, mit Teig ummantelten Füllungen besteht und in Wasser gekocht wird. Daher soll auch das russische Wort Wareniki abstammen.

Wareniki sind übrigens die süße Abwandlung des Nationalgerichts Pelmeni, ähnlich köstliche Teigtaschen, gefüllt mit Fleisch und in einer gehaltvollen Brühe gekocht. Und dann sind da noch Blinis mit rotem Kaviar, Borschtsch mit erdiger Roter Bete und Smetana und die wahre Nachspeise der Russen: Tee. Teebeutel sind übrigens für das Zeremoniell ein No-Go.

Für ihren beliebten Chai wird Qualitätsware aus dem Nachbarland Chinas importiert, genossen wird dieser etwa im Vse Svobodny, einem Buchladen mit Teeraum. Gusto? Vom Newsky-Prospekt, der großen Hauptstraße, zweigt die Rubinsteinstraße ab. In der kleinen Straße befinden sich an die 50 Restaurants, Bars und Vinotheken – von jüdischer Küche bis zu Hipster Cuisine. „Ein Viertel, das vor allem am Abend floriert“, weiß Leljak.

Für den zweiten Teil der Nacht überquert man den Konushennaya-Platz und gelangt zu einem großen Triumphbogen. „In den beiden dahinter liegenden Innenhöfen ist der Underground zu Hause. Hier tummelt man sich in Tanzbars wie dem ‚Mosaik‘ oder dem ‚Steckenschneider‘-Klub“, schwärmt der in Graz lebende Russe. Viele Sankt Petersburger behaupten ohnedies, die Seele der Stadt wohne in den Hinterhöfen.

Jazzig wird’s am Shlyapa-Platz, wo jedes Wochenende Live-Konzerte stattfinden. Eines der angesagtesten Viertel, auch für Familien, ist die „Neu Holland“-Insel. Hier versammeln sich in urbanem Flair Vernissagen, Masterclasses, Klubs und Lokale – riesiges Kletterholzschiff unter einem bunten Fantasiewolkennetz und Sandstrand-Ambiente inklusive.

The very Best-of

Noch mehr Leben findet an der Pulsader, dem Fluss, der Newa, statt. Sie reiht wie eine Perlenkette Wahrzeichen an Wahrzeichen. Die beste Sightseeing-Tour ist demnach eine Bootsfahrt, die vorbei an der Peter-und-Paul-Festung, dem historischen Kern der Stadt zurückgehend auf den Gründungstag der Stadt, den 16. Mai 1703, zur Eremitage, dem Kunstmuseum von Gründerin Katharina der Großen, führt.

Weitere Wahrzeichen der Stadt, die nicht nur vom Wasser aus beeindrucken: der Winterpalast, der Eherne Reiter und insbesondere die Bluterlöserkirche, deren imposanter wie glamouröser Baustil der alt-russischen Kunst alle Ehre erweist. Selbst wer sich nicht mit Fahrrad oder zu Fuß durch die Stadt bewegen will, kommt unter der Erde auf seine Kosten: Die U-Bahn-Stationen sind unheimlich prunkvoll gestaltet und muten mit feinsten Mosaiken und prächtigen Kronleuchtern oft wie ein Ballsaal an, wären da nicht die teilweise etwas abgehalfterten Waggons, die mit 80 Stundenkilometern durch den Untergrund brettern.

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Eines der berühmtesten und spektakulärsten Anwesen in St. Petersburg: die Zarenresidenz Peterhof und ihre Wasseranlagen. Foto: Artem Merzlenko – stock.adobe.com

Schlafen wird in St. Petersburg überbewertet. Neben der pulsierenden Klubszene hält die Stadt für Nachteulen noch jede Menge Augenweiden parat: „Es empfiehlt sich zumindest einmal bis 2 Uhr morgens auszuharren und einen nächtlichen Spaziergang zu unternehmen. Denn um diese Zeit öffnen sich die imposanten Brücken der Stadt, um die großen Handelsschiffe passieren zu lassen. Das Schauspiel der Brückenöffnung ist einzigartig und symbolträchtig zugleich“, dokumentiert Produktdesigner Aleksandr Leljak, der mit seiner Frau Gerhild in regelmäßigen Abständen seine Heimat bereist.

Nach geraumer Zeit zwingt das Pensum an Eindrücken dann doch zu Pausen. Die verbringt man in vielfältigen Unterkünften wie zum Beispiel dem neuen Hotel Meininger im historischen Gebäudekomplex Nikolsky am Rande des Goldenen Dreiecks mitten in der Stadt, im Hotel Klaidoscope Design Sankt Petersburg oder etwa im Gamma Luxus Design Hotel, das laut „Elle Decoration“ weltweit zu den zehn besten Hotels zählt. Noch mehr Entspannung schenkt nur Banja, die russische Sauna, die einer finnischen nahekommt, aber mit weitaus höherer Luftfeuchtigkeit. Spätestens bei einem Banja-Besuch ist man auch endlich beim russischen Klischee angelangt: Nach der Sauna klopft man sich mit heißfeuchten Birkenzweigen genüsslich durch und trinkt ein Stamperl Wodka. Der Gesundheit wegen. Ja, mit St. Petersburg ist gut Kirschen essen.

TINA VEIT-FUCHS

Mehr Informationen

Für weitere Informationen empfehlen wir den Online-Reiseführer
www.petersburger.info

 

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