Beim Anblick errötet – steirischer Rotwein

Steirischer Rotwein

Im Glas zwischen knackiger Herzkirsche und Vollmilchschokolade angesiedelt, wächst auf einst heißen Vulkanen steirischer Rotwein. Was kann er, wie tut er, wer macht ihn?

Weingut Thaller

Das Weinschloss Thaller im oststeirischen Vulkanland diente diesmal als feudale Kulisse für die VIA-Weinverkostung. Familie Thaller hofft, die Location demnächst wieder als umfangreichen Veranstaltungsort nützen zu können. Derzeit sind nur Hofladen und Weinverkauf geöffnet. Foto: Jimmy Lunghammer

Der Klimawandel hilft! Das ist angesichts der weltweiten Nachrichtentristesse eine mehr als erfreuliche Verkündung. „Der Klimawandel unterstützt uns beim Ausbau von steirischem Rotwein, der es gerne wärmer hat“, führt Christoph Neumeister, Winzer des gleichnamigen Weinguts in Straden, an ein Thema heran, das uns selbst bei dosiertem Genuss rotbackig macht: Rotwein aus der Steiermark. „Vor einigen Jahren hat die Fachpresse Rotwein aus der Steiermark erst gar nicht verkosten wollen. Heute ist man bei dem Thema hellhöriger“, fügt Franz Josef Hutter, Hüter eines Bioweinguts in Feldbach, hinzu. Neumeister und er finden sich gemeinsam mit Winzer Christof Winkler-Hermaden aus Kapfenstein, Katja Hackl, Mitarbeiterin des Weinguts Josef Scharl, und Winzerin Katharina Thaller im imperialen Rahmen des Weinschlosses Thaller in Maierhofbergen ein. Diesmal ist das Thermen- und Vulkanland Austragungsort der VIA-Weinverkostung – wohlgemerkt unter strengen Auflagen. Alle Mitwirkenden wurden maximal 48 Stunden vorab negativ auf Covid-19 getestet.

Steirische Winzer

So sehen Gruppenfotos mit negativem Covid-19-Testergebnis aus: Christof Winkler-Hermaden, Katharina Thaller, Christoph Neumeister, Katja Hackl und Franz Josef Hutter (v. l.). Foto: Jimmy Lunghammer

Wer Rotwein macht, benötigt neben Winzerkenntnissen im Weingarten vor allem auch Erfahrung im Keller. Und Zeit. „Zugegeben, Tuttifrutti-Weine zu produzieren, würde schneller vonstattengehen“, grinst Neumeister schelmenhaft. Und schon sind wir mittendrin im Winzer-Jargon. Als „Tuttifrutti“ werden meist „gemachte“ Weine mit exotisch-künstlichen Fruchtnoten und überdurchschnittlich viel Kunsthefe bezeichnet. Quasi die Energydrinks der Weine, deren Konsum man dem Gaumen zumuten kann, aber nicht zwingend muss. „Wenn man sich als steirischer Winzer an Rotweine wagt, setzt man sich einem gewissen Risiko aus“, meint Hutter. Der Zeitfaktor zählt ebenso zu den „Risikofaktoren“ wie die nationale und internationale Vermarktung, die in einer Sauvignon-blanc und Muskateller-verwöhnten Region wie der Steiermark in erster Linie Weißweine in die Auslage stellt. Der Umkehrschluss: Wer auf steirische Rotweine mit Gehalt und Finesse setzt, bedient eine Nische.

Katharina Thaller, Gastgeberin dieser Weinkost, tut dies mit Erfolg und im Beisein ihrer Familie. Zu oft kämen Rotweine viel zu jung auf den Markt, sagt sie. „Je älter die Rebstöcke, desto weniger Trauben, desto ausgemergelter der Stock, desto mehr Potenzial für Entfaltung“, lautet ihre Zauberformel. Der Rotweinanteil des oststeirischen Familienweinguts beläuft sich auf 70 Prozent. Das Erbe des Vaters führt die Winzerin seit 2013 mit Bedacht fort. Das Weinschloss an sich fungiere „als Wohnzimmer“ für ihre Weine. Wir lehnen uns mit einem Cuvée Rochus 2015, dem aktuell jüngsten Jahrgang im Verkauf, im Glas zurück. Das vinophile Quartett aus Merlot, Cabernet Sauvignon, Zweigelt und Pinot noir braucht noch Luft. Wir wechseln zum Cuvée Rochus 2009 und tanken eine Nase Orient und Suppengrün. Ein warmes Kaminfeuer am Gaumen dank französischem Eichenfass. Der ideale Eintopf-Begleiter – ein wenig davon in den Eintopf, den Rest supplémentaire dazu.

Angebaut werden rote Sorten in der Steiermark übrigens auf nur 970 Hektar. Das entspricht einem Anteil von etwa 22 Prozent. Das Bio-Weingut Winkler-Hermaden steuert einen saftigen Ertrag bei. Beim Namen „Olivin“ klingelt es in den Ohren von Rotweinliebhabern. Seit 1988 wird er produziert und überzeugt mit seiner enormen Lagerfähigkeit. Vinifiziert wird der Wein gänzlich aus Zweigelt von verschiedenen Lagen auf dem Kapfensteiner Kogel, er reift in Fässern aus dem eigenen Forst. Christof Winkler-Hermaden beglückt uns mit den Jahrgängen 2017 und 2011. Ersterer, feierlich der 30. „Olivin“-Jahrgang, wirkt kühl-saftig und bleibt lange hängen. „Dünn braucht eh kein Rotwein sein“, drückt der Winzer nach. Beide Jahrgänge arbeiten im Abgang, 2011 aufgrund der 18-monatigen Holzfassreife sehr intensiv mit Tannin und klassischer Zweigelt-Würze.

„Der darf ruhig noch“, so der Tenor der Runde. Lagerpotenzial sprechen auch wir zu. Im Gegenzug verkosten wir zwei Pinots noirs „Ried Klausen“ vom Weingut Neumeister. Die Zartheit des Jahrgangs 2015 erstaunt. Ein echter Charmeur! „Rotwein darf ruhig auch mal leicht sein. Er darf nur nicht banal sein“, konstatiert Christoph Neumeister. Auch der 2013er brettert ob leichten Holzes und Schokonote nicht davon. Ein Mittagsrotwein, könnte man meinen. Kollege Winkler-Hermaden stimmt zu: „Eine sehr weiche, fast schon seidige Tanninstruktur, die in Balance mit Säure guten Zug verspricht.“ Mit einem Wort: trinkig! Höchste Zeit, mit etwaigen Rotwein-Mythen aufzuräumen.

Viskosität

Erst das Glas benetzen, dann den Gaumen: Je länger im Holz, desto eher lässt sich sämige Viskosität feststellen. Die Fließfähigkeit des Weins ist aber per se kein Qualitätsmerkmal. Foto: Jimmy Lunghammer

Stichwort Serviertemperatur: „Lieber kühler als zu warm und bloß nie ofenwarm“, klärt Katharina Thaller auf. Die ideale Trinktemperatur liegt zwischen 15 und 17 Grad °C. Warum? „Zu warm genossen forciert man den Alkoholgehalt, der die Nase zumacht und die Fruchtnoten überdeckt“, so die Experten. Wir widmen uns Eruption Rot 2017 vom Weinhof Scharl – ein Cuvée aus Zweigelt und Blauem Wildbacher – und erkennen klare Himbeerund Kirschnoten mit sympathischen Kanten. Der reinsortige Zweigelt Kompagnon aus dem Jahr 2013 könnte zu Lamm und Taube gut passen. Naturweinbauer Hutter schickt kantigen Shiraz ins Rennen – 2016 poltert etwas mehr. Die zwei Jahre im Holzfass schmeckt man auch. „Bei Shiraz denke ich immer an eine fesche Perserin. Mir taugt das Zeug“, gesteht der Macher. Der Jahrgang 2012 ist genauso rassig dank Lakritzaroma, aber doch runder als der jüngere. „Ältere Rotweine unterstreichen das Terroir hervorragend. Genau darum geht es. Stilsicherer Wein macht für mich erst Sinn, wenn er eindeutig nach seiner Herkunft schmeckt“, merkt Winkler-Hermaden an.

TINA VEIT-FUCHS

Weingut Thaller
weingut-thaller.at

Weingut Neumeister
neumeister.cc

Weinhof Scharl
weinhof-scharl.at

Weingut Winkler-Hermaden
winkler-hermaden.at

Naturweingut Hutter
hutter-wein.at