Unser Essen von Morgen

Ernährungswissenschaftlerin Hanni Rützler beleuchtet in ihrem Food Report 2017 die großen und kleinen Visionen in der Ernährungsbranche.

 

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Foto: Andreas Jakwerth

„Essen ist zum zentralen Thema der urbanen Alltagskultur geworden“, ist eine der Kernaussagen des aktuellen Food Reports, den Ernährungswissenschaftlerin Hanni Rützler alljährlich für das Zukunftsinstitut erstellt. „Konsumenten bestimmen zunehmend selbst, was auf den Teller kommt“, so die Food-Forscherin. Dass unsere Ernährung mehr und mehr zu einer Frage der Weltanschauung wird, ist für die Food-Branche – was sonst – ein gefundenes Fressen.

Industrie, Gastronomie und Handel sprudeln vor Ideen, wenn es darum geht, neue Produkte, Services und Strategien zu entwickeln.

Junge, kreative Start-ups wittern ihre Chance und bringen visionäre Konzepte an den Start.
„Vieles wird Science-Fiction bleiben – doch manches wird Realität und kann die Branche radikal verändern“, so Rützlers Einschätzung. Mit Best-Practice-Beispielen illustriert sie in ihrem Bericht den Einfallsreichtum, der gerade im Food-Business Platz greift.

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Foto: istock.com/Ababsolutum

Self-Tracking: Sag mir, was da drin ist!

Das US-amerikanische Start-up Mark One etwa hat einen intelligenten Trinkbecher, genannt Vessyl, entwickelt, der die Inhaltsstoffe jedes Getränks analysiert, mit dem man ihn befüllt. Die Ergebnisse werden auf dem Display des Bechers oder auf dem Smartphone, das über Bluetooth mit dem Becher verbunden ist, angezeigt.

Erdbeeren vom Meeresgrund

Der Italiener Sergio Gamberini fragte sich, wie man in Ländern Landwirtschaft betreiben könne, deren Böden sich nicht dafür
eignen. Seine unorthodoxe Antwort kam ihm während eines Tauchurlaubs: unter Wasser natürlich. In seinem Projekt „Nemo’s
Garden“ vor der Küste Liguriens sind in bis zu zehn Metern Tiefe durchsichtige, nach unten geöffnete und mit Luft befüllte Ballons mit Ankern am Meeresgrund befestigt, in deren Inneren Basilikum, Kopfsalat, Bohnen oder Erdbeeren gedeihen. Durch Sonneneinstrahlung verdunstet das Salzwasser im Inneren des Ballons und bewässert als Kondenswasser die Pflanzen.

Wenn es schnell gehen muss: Convenience 2.0

Unser hektischer, moderner Lifestyle lässt oft wenig Zeit zum selber Einkaufen und Kochen, doch für viele sind Fertiggerichte
nicht mehr des Hungers letzter Schluss. Eine Antwort: smarte Technologie. Gerade entwickelt Samsung gemeinsam mit
MasterCard einen Kühlschrank, der automatische Nachbestellungen vornimmt und umgehend via Kreditkarte abrechnet. In Amsterdam bringt der Lieferdienst foodora statt pappiger Pizza Mieral-Entenbrust glasiert mit Lachs, Soja und Aprikosen ins Haus. Die Kooperation mit dem Sternelokal „Samhood Places“ macht Fine-Dining zum neuen Delivery-Trend.

Menü auf Krankenschein
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Foto: istock.com/mediaphotos

„Essen muss heute nicht nur schmecken, sondern uns auch fit und gesund erhalten oder im besten Fall machen“, vermeldet der Food Report weiter. Selbst Kochkapazunder wie Alfons Schuhbeck haben bereits Gewürzmischungen in Pillenform, sogenannte „Zellfitness-Kapseln“ im Sortiment. „Food Hacking“, so das Zauberwort für diesen Trend. Seine Protagonisten stehen nicht in der Küche, sondern tüfteln im Labor an der Nachahmung unserer Grundnahrungsmittel. Ziel sei es, diese „auf ihre molekularen Bestandteile herunterzubrechen und wieder neu zusammensetzen.“

„Fleischersatzprodukte werden bald schon keine spleenigen Nischenprodukte mehr sein, sondern Teil des Mainstream Sortiments“, ist sich Rützler sicher. Ein spannender Aspekt, wenn man bedenkt, wie „Kunstfleisch“ und „Analogkäse“ noch vor Kurzem verteufelt wurden. Das Start-up-Unternehmen Beyond Meat trägt diesem Trend Rechnung und erfand den Beastburger. Erbseneiweiß, Chia-Samen und andere pflanzliche Zutaten erzeugen die perfekte Illusion von Rindfleisch. Dabei enthalte der Burger „mehr Eiweiß und Eisen als Rind, mehr Omega-3-Fettsäuren als Lachs, mehr Kalzium als Milch und mehr Antioxidantien als Blaubeeren“, so Firmengründer Ethan Brown.

Krabbelndes Superfood
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Foto: Getty Images/iStockphoto /kwanchaichaiudom

Insekten gelten seit Jahren als das „Superfood“ der Zukunft. Auch in und Österreich haben es sich Start-ups wie insektenessen.at auf die Fahnen geschrieben, Heuschrecken und Co. auf den Teller zu bringen. Mit Kochbüchern, Insektenkochkursen und Rezepttipps soll sukzessive die Hemmschwelle vor den eiweißreichen Krabblern gesenkt werden. Großes Zukunftspotenzial prophezeit Hanni Rützler dem Powerfood aus dem Meer – den Algen.

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Foto: istock.com/BreakingTheWalls

Reich an Eiweiß und Ballaststoffen, dafür arm an Kalorien erw
eitern sie das Geschmacksspektrum für europäische Gaumen. Bei Seamore in den Niederlanden hat man diesen Bedarf erkannt und fabriziert „Pasta“ aus handgepflückten Algen, die in der Küche so eingesetzt werden wie Tagliatelle. Großer Vorteil: Im Gegensatz zu Nudeln ist die Algenpasta sogar für Esser mit Glutenunverträglichkeit bestens geeignet.

Brutal Lokal

Stellt sich noch die Frage, wie wir in Zukunft einkaufen werden. „Brutal Lokal“ meint Hanni Rützler und paraphrasiert damit
den seit Jahren beobachtbaren Hype zu Regionalität. Das Berliner Start-up Infarm zum Beispiel pflanzt in einem Pilotprojekt
gemeinsam mit dem Metro-Großmarkt Berlin-Friedrichshain Kräuter und Gemüse – direkt im Supermarkt.

Die Pflänzchen gedeihen auf einer dünnen, nährstoff reichen Wasserschicht. Frischer geht‘s nun wirklich nicht! In München und Wien etablieren sich gerade Freiluftsupermärkte als Steigerungsform der Bio-Gemüsekiste. Und Steve Brill, genannt „Wild Man“ bringt foodaffi den New Yorkern in Kursen bei, im Central Park Wildkräuter und Pilze zu sammeln – Rezepte gibt‘s gleich dazu. Wer keine Zeit für den Kurs hat, geht mit der App „Wild Edibles Forage“ selbst auf die Pirsch nach Essbarem.

CLAUDIA PILLER-KORNHERR


Knuspriges Zanderfilet in Körnern gebraten mit Kräuterspinat und Kernölcreme
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Foto: Werner Krug

Zubereitungszeit: 80 Minuten | Personenanzahl: 4
Verfasser: Christof Widakovich

Zutaten:

4 Stk. Zanderfilet (á ca. 150 g)
Salz, Pfeffer, 1–2 EL griffi ges Mehl, Eiweiß von 1 Ei
Je 1 EL Sonnenblumen-, Pinien- und gehackte Kürbiskerne
Olivenöl zum Braten, Butter
Rosmarin und Thymian zum Aromatisieren
600 g frischer Babyspinat, 6 EL Mayonnaise
1–2 EL Steirisches Kürbiskernöl g.g.A.
frische Kräuter, 2–3 Schalotten, 1 Knoblauchzehe

Zubereitung:

Zanderfilets entgräten, salzen und pfeffern. Die Seite ohne Haut zuerst mit Mehl und Eiweiß panieren, anschließend in die Kerne-Mischung drücken. Filet zuerst auf der Haut seite dann auf der panierten Seite in Olivenöl bei geringer Hitze knusprig braten. Zum Aromatisieren die frischen Kräuter in Butterflocken kurz mitbraten.

Für die Kernölcreme Mayonnaise mit Kürbiskernöl verrühren. Schalotten klein hacken, in Olivenöl anschwitzen, Babyspinat zugeben und kurz dünsten lassen. Anschließend mit Knoblauch, Salz, Pfeffer und gehackten frischen Kräutern abschmecken.

Zander auf dem Spinat anrichten und mit Kürbiskernölmayonnaise, Steirischem Kürbiskernöl g.g.A. und gezupften Kräutern garnieren.

Tipp: Eine selbst zubereitete Weißweinrahmsoße (Weißwein-Velouté), sowie frische Frühlingskräuter und deren Blüten, geben dem Gericht einen zusätzlichen aromatischen und dekorativen Pfiff!

Links zum Thema

www.zukunftsinstitut.at
www.myvessyl.com
www.nemosgarden.com
www.samhoodplaces.com
www.beyondmeat.com
www.insektenessen.at
www.seamorefood.com
www.infarm.de
www.freiluftsupermarkt.de
www.wildmanstevebrill.com

 

Beitragsbild: shutterstock/casanisa