Coworking Spaces – Kollegen zur Miete

Die Arbeitswelt 2.0 schafft sich ihre eigenen Strukturen. In Coworking Spaces finden Büronomaden eine neue Heimat.
Ein Lokalaugenschein.

In ihr Gespräch vertieft lehnen zwei junge Frauen an der langen Theke. Ein Typ mit Hipster-Bart lässt sich gerade an der verchromten Kaffeemaschine einen Espresso herunter. Auf der quietschgelben Couch hämmert ein junger Mann mit kariertem Hemd in sein Notebook. Kunstfotografien im XXL-Format hängen ringsherum an den nackten Betonwänden.

Die Kulisse erinnert an eines dieser angesagten Szenecafés. Doch Fehlanzeige – hier wird richtig gearbeitet. Wir sind im Aula x Space, einem Coworking Space im Grazer Bezirk Eggenberg. „Viele junge, gut ausgebildete und ideengetriebene Leute wollen abseits der 08/15-Büroroutine neue Arbeitsformen ausprobieren“, erklärt uns Rene Gradwohl. Der 31-Jährige ist hier Geschäftsführer und irgendwie auch Mädchen für alles.

Coworking zeichnet sich schon seit einigen Jahren als Trend für neue Arbeitsmodelle ab, auch in Wien, Berlin oder München schießen Coworking Spaces wie die Pilze aus dem Boden. An die 30 solcher Coworking Spaces gibt es derzeit in Graz – von der klassischen Bürogemeinschaft, wie sie der Full-Service-Provider Corporate Media beim Messequartier anbietet, bis hin zu flexiblen Containerlösungen wie die des Lager- und Officeanbieters „MeinBüro“ in Raaba südlich von Graz.

 

Foto: iStock.com

Mikrobüros können hier monats-, tage- oder sogar stundenweise angemietet werden. Der Bauherr und „ewige Jungunternehmer“ Karl Schwarzl bietet mit seiner Flexbox eine ähnliche Lösung an. Auf einer Fläche von 10.000 Quadratmetern entsteht derzeit im Grazer Bezirk Puntigam eine zweistöckige Halle, in der sich unter anderem Start-ups in Containerbüros einquartieren können.

Die Spacer, so nennen sich die Leute, die Seite an Seite im Aula x Space arbeiten, seien zum größten Teil Freelancer aus dem Kreativbereich, erzählt Rene Gradwohl. Texter, Grafiker, Fotografen, Programmierer oder Übersetzer. Eine Spacerin schreibe gerade ihre Masterarbeit in Publizistik. 275 Euro kostet der Coworking-Arbeitsplatz pro Monat, die Stadt Graz schießt beinahe die Hälfte davon zu. Wer nur gelegentlich kommt, löst einzelne Tagestickets. Die Infrastruktur hier können alle mitnutzen: Schreibtisch, WLAN, Drucker, Besprechungsräume, sogar ein Fotostudio steht den Spacern zur Verfügung.

„Und eine Dusche, falls jemand zwischendurch beim Joggen das Hirn auslüften mag.“ Denn der Aula x Space liegt mitten im Grünen, der Eggenberger Schlosspark gleich nebenan. Das eigentliche Asset sei jedoch der Netzwerk-Charakter, die kreative Stimmung, das Miteinander. „Die Leute, die hier sitzen, tun es, weil sie es wollen, nicht weil sie es müssen. Das überträgt sich.“ In gewisser Weise mietet man also die Kollegen gleich mit. Das Arbeiten im Coworking Space verkörpert ein gewisses Lebensgefühl, eröffnet zwanglos neue Kontakte und Netzwerke.

„Jeder hilft hier jedem. Kommunikation ist ausdrücklich erwünscht. Der Fotograf lichtet die Dolmetscherin für ihre Website ab. Der Grafiker unterstützt den Autor bei der ­Illlustration seines Buches.“

Beim Caffé Latte oder dem Feierabendbier kommt man ins Gespräch und so manches gemeinsame Projekt ins Rollen. Und oft ist es der Input von fachfremden Leuten, der den entscheidenden Ausschlag gibt. Viele der Spacer haben zuvor im Home-Office gearbeitet – und tun das zum Teil auch weiterhin.

Nur gibt es eben Tage, an denen einem allein am heimischen Schreibtisch die Decke auf den Kopf fällt, man soziale Kontakte und eine gewisse Struktur im Arbeitsalltag braucht. Und örtliche Distanz zu Familie, Fernseher und Schmutzwäsche.

Österreichweit bieten derzeit ein paar Hundert Coworking Spaces Arbeitsplätze zur Miete an – Tendenz steigend. Das Angebot für die Arbeitsplatzmieter wird dabei immer umfassender, stark im Kommen sind Coworking Spaces mit Kinderbetreuung, die Eltern  die Möglichkeit geben, produktiv zu sein und gleichzeitig die Kinder in der Nähe zu haben. Rene Gradwohl sieht im Modell Coworking Space eine große Chance für die Arbeit der Zukunft: „Es geht darum, Menschen wieder in den Mittelpunkt zu rücken, sinnvolle Netzwerke zu knüpfen und gleichzeitig Beruf und Privatleben in Balance zu halten.“

 

Auch so geht Arbeiten 2.0: im flexiblen Container-Office, wie hier bei MeinBüro in Graz. Foto: GEPA pictures/ MEINDEPOT

CLAUDIA PILLER-KORNHERR
Info

Bürogemeinschaft bei Corporate Media
www.fresh-content.at/buerogemeinschaft

Mein Büro Graz | www.meinbuero-graz.at
Aula x Space | www.aula.space
Schwarzl Flexbox
www.schwarzlimmobilien.at

 

Beitragsbild: Aula X Space/Wolfgang Hummer