Eine Umarmung des Scheiterns – Alexander Hechtl

Eine Umarmung des Scheiterns - Alexander Hechtl
Mit Kabarett befreit Alexander Hechtl das Denken von seinem schlechten Image. Wie das geht? Ein Gespräch über die Philosophie, das Unperfekte und … … … Pausen.

Wenn der Interviewpartner zu Protokoll gibt, dass das Traurigste Menschen sind, die nicht mehr neugierig sind, dann darf der Termin ohne schlechtes Gewissen länger dauern. Immerhin hat man viele Fragen. Und Alexander Hechtl spannende Antworten. Der weststeirische Kabarettist und Philosoph macht für seine Auftritte den „gewissen Feinschliff komplexer Gedanken“ und will dem Denken sein schlechtes Image nehmen. Es liefert uns ja permanent aber unbemerkt Lösungen – während nervig kreisende Gedanken immer negativ auffallen. Auf der Kabarettbühne taucht Hechtl knietief ins „Wapplerleben“ ein und meint es nicht böse – er bricht eine Lanze für den Gegenentwurf zum optimierten, leistungsorientierten, perfekten Menschen. Denn Wappler sind wir alle: unperfekt, scheiternd, oft bringen wir einfach „nix zsamm“.

Foto: Schmat

Was war zuerst: die Philosophie oder das Kabarett?

Es ist immer eine Kombination, glaub ich. Natürlich habe ich von klein auf überlegt, was lustig sein könnte. Bin dann später erst draufgekommen, dass es eine direkte Verknüpfung gibt. In der Philosophie gibt es halt nicht diese direkte Rückmeldung. Wenn ich mir einen Witz ausdenke, habe  ich gleich eine Rückmeldung. Ich glaube, die Belohnung fürs Nachdenken gab es vorher schon – dass Nachdenken durch die ­Lacher der Leute gefördert wird.

Was ist lustiger für dich: deine philosophische Praxis oder als Kabarettist auf der Bühne zu stehen?

Bei der philosophischen Praxis geht’s weniger um mich. Das ist klientenzentriert, um mich hineinzuversetzen in das, was die ­Person denkt und da unterstützend beizutragen. Beim Kabarett ist das Publikum ano­nym – es soll schon unser gemeinsamer Abend sein, aber es fällt zurück auf das, was bei mir passiert. Man lernt mich fast besser auf der Bühne kennen, weil es persönlicher wird als in der philosophischen Praxis.

Du erwischst die Menschen nicht über die Psychologie, sondern über das Denken …?

Ich würde sagen, wie Menschen sich die Welt erklären, ist immer etwas, wo man psychologisch oder philosophisch ansetzen kann. Die wichtigsten Fragen in meinem Leben, das kann ein Problem sein, es kann aber auch etwas sein, worüber ich mich amüsiere – oder beides! Oft sind die lustigen Sachen auch die, wo man hadert. Und man kriegt dann eine andere Perspektive. Denken ist ein bisschen in Ungnade gefallen. Wenn ich in meinem Programm sage, es gibt etwas zum Nachdenken, geht so ein Raunen durch den Saal. Und alle wollen was Praxisnahes, die Theorie hat was Negatives. Aber Denken ist etwas, das uns hilft, Lösungen zu finden! Die meisten Sachen, die durch Denken funktionieren, fallen halt auch nicht auf – Kulturleistungen gehen ja großteils darauf zurück, dass wir irgendwann einmal darüber nachgedacht haben.

„Oft sind die lustigen Sachen auch die, wo man hadert.“ – Alexander Hechtl

Wie macht man der Aufreger-Gesellschaft das Denken schmackhaft?

Denken braucht Zeit, wir brauchen Räume zum Reflektieren, aber das geht immer mehr verloren. In jeder freien Sekunde hat man das Handy dabei und schaut was nach. Man wird abtrainiert von diesen Pausen, wo man früher Zeit hatte zum Nachdenken. Das spiegelt sich, glaube ich, in so einer gewissen Unruhe und Unzufriedenheit wider, die sich breitmacht im gesamtgesellschaftlichen Wohlbefinden.
Dann ist der andere Punkt, was jetzt von den Medien herkommt, dass wir diese schnellen Klicks und Likes brauchen – so was wie einen Artikel zu lesen, ist ja schon Luxus. Man scrollt die Timeline runter und liest Schlagzeilen. Da ist das Kabarett bis zu einem gewissen Grad eine Gegenreaktion: Man kann hier nicht einfach vorspulen, wenn eine Pause drin ist. Es braucht viel mehr im Kabarett – diese Pausen auszuhalten. Das kriegt man kaum mehr geliefert. Ich hab teilweise Pausen drin, wo ich mich selbst zwingen muss, bis zehn zu zählen, weil ich weiß, dass das ein – notwendiger – unguter Moment ist.

Foto: Schmat

… Und dann kommt man durch einen Witz ins Denken – und wird sozusagen im Kabarett dafür belohnt?

Man wird belohnt dafür, dass man aufmerksam ist. Als Rezipient: Ah, ich hab vorher aufgepasst, jetzt verstehe ich erst, dass das auch mit dabei ist. Man merkt, dass es sich auszahlt, dass man mitdenkt. Ich hätte gerne, dass im Nachhinein immer noch was brodelt. Es nicht nur ein „netter“ Abend war – ein belangloser.

Der „Wappler“ ist für dich ein Synonym für Mensch. Von der „Krone der Schöpfung“ bist du nicht so überzeugt?

Beim Wappler ist das Scheitern drinnen, das finde ich schön, wenn man diese Menschlichkeit reinbringt – dass das eben nichts mit Perfektionismus zu tun hat. Man vergisst die Leute, die nix zusammenbringen. Das ist aber die Mehrheit, man ist öfter nicht so der Bringer. Das ist aber nichts Negatives, sondern eher eine Umarmung, um wegzukommen von diesem leistungsorientierten, durchökonomisierten Menschenbild, das wir so in uns drinhaben.

Wann verzweifelst du an der Menschheit – und wann bist du restlos begeistert?

Was ich am traurigsten finde: Wenn man nicht mehr neugierig ist. Ich glaube, Wahrheitsansprüche sind immer mit Macht­ansprüchen verbunden. Was mich begeistert – das ist jetzt ein bissl ein Widerspruch: Konsequenz. Ich finde es schön, wenn man Sachen zu Ende bringt, etwas als Wahrheit annimmt. Oft geht das leider Hand in Hand: dass Menschen meinen, den Wahrheitsanspruch zu haben, und das dann umsetzen wollen. Das versuche ich aufzubrechen. In erster Linie ist ein menschlicher Umgang miteinander wichtig und dann erst, wer recht hat. Wenn man das aus den Augen verliert, wird das gesellschaftliche Miteinander unerträglich. Wir sind alle irgendwo auch fehlbar und Wappler.

Hat ein Philosoph immer Antworten auf die Fragen des menschlichen Daseins oder nur die besseren Fragen?

Man hat immer Fragen! Die Fragen sind in der Philosophie viel zentraler als die Antworten, das ist auch das Fantastische an dieser Wissenschaft.

Von Claudia Taucher

Alexander Hechtl

Kabarettist und Philosoph aus Ligist, Weststeiermark
Publikumspreis des 36. Grazer Kleinkunstvogels

1. Programm:
16. 9. Kabarett Cuvée, Schilcherhof Ligist
22.10. Literaturfrühstück Ligist
alexanderhechtl.at
vormitnachd.at

 

Beitragsfoto: Hechtl