Aloha, Duke Kahanamoku!

Ukulele in Waikˉıkˉı und Hula in Hale‘iwa. Das klingt wie Urlaub, Palmen und mehr. Ist es auch, meistens zumindest: Doch Mokupuni o Hawaii, wie sich der jüngste US-Bundesstaat selbst bezeichnet, hat mehr zu bieten als Surf und Sand. Und Bier gibt es auch.

Honolulu ist die Hauptstadt der Inselwelt von Hawaii und zugleich die größte Stadt Polynesiens. Knapp eine Million Menschen, fast zwei Drittel der Gesamtbevölkerung, ­leben im Ballungsraum der Südsee-Metropole. Der erstreckt sich über 40 Kilometer entlang der Südküste der Insel O’ahu, einer der sechs Hauptinseln des Archipels. Überall sonst ist es zumeist recht ruhig, wenn nicht wieder einmal ein Vulkan zu grollen beginnt. Und das kommt vor, auch wenn der Kīlauea auf der Nachbarinsel seine ­Tätigkeit nach 35 Jahren erst 2018 eingestellt hat und ­aktuell keine großen Lavaströme mehr fließen.
Die hawaiianischen Inseln bilden die längste Inselkette der Welt und sind alle vulkanischen Ursprungs – es sind die aus dem Pazifik ragenden Gipfel der Vulkane, die tief unten auf dem Meeresboden stehen. Die Schildvulkane der geologisch jüngsten und größten der Hawaii-Inseln, der Hauptinsel Hawaii („Big Island“), sind eigentlich die höchsten Berge der Erde: Der Gipfel des Mauna Kea ­befindet sich in 4.205 Meter Höhe über dem Meer, während seine Basis in 5.400 Meter Meerestiefe liegt – also insgesamt rund 9.600 Meter Vertikalerstreckung.

Zwischen Pearl Harbour und Waikıˉkıˉ: O’ahu

Auf O’ahu ist vom rauen Charme der schwarzen Strände mancher Nachbarinseln wenig zu merken. 64 Kilometer lang, 42 Kilometer breit und 336 Kilometer Küste: O’ahu ist nach Maui nur die drittgrößte der Hawaii-Inseln und kleiner als das Innviertel. Doch wirtschaftliche und politische Macht lagen fast immer hier, wo auch drei Viertel aller Touristen anreisen. Und das sind nicht wenige. Über zehn Millionen waren es 2019.
Im 19. Jahrhundert wurden Ananas und Zuckerrohr zum großen Geschäft, zahlreiche asiatische Gastarbeiter kamen – und blieben. Nur sieben Prozent der Bevölkerung sind polynesischen Ursprungs, mehr als die Hälfte Ostasiaten, großteils aus Japan, Korea und den Philippinen. Kaum ein anderer Bundesstaat der USA hat eine ähnlich multikulturelle Gesellschaft wie der heutige Flugknoten im Pazifik, der spätestens mit der japanischen Versenkung der US-Flotte in Pearl Harbour 1941 in den Blickpunkt der Weltöffentlichkeit rückte.

Pearl Harbour: Eine Gedenkstätte gleich hinter dem Honolulu International Airport erinnert an den Überraschungsangriff der Japaner im Jahre 1941. © Spreitzhofer

Das Areal ist heute eine Gedenkstätte unter Verwaltung des US National Park Service, gleich hinter dem Honolulu International Airport, vorbei an O’ahus China­town und dem Aloha Tower, der bereits 1921 zum Wahrzeichen der Stadt geworden war.
Honolulu hat immer schon zu gefallen gewusst, und das Marketing prominenter Literaten war dafür nicht von Nachteil. Robert L. Stevenson war da und dinierte mit König Kalakaua, Jack London fand hier seine zweite Heimat und auch Mark Twain berichtete nur Gutes von der faszinierenden neuen Welt mitten im Ozean.

Der Südsee-Mythos des frühen 20. Jahrhunderts nahm allmählich Fahrt auf: Ukulele-Bands und Hula-Tanz bestimmen bis heute die Tourismuswerbung des Landes, in dem Barack Obama 1961 geboren wurde. Von religiösen Ritualen zur Verehrung von Königen und Häuptlingen ist man jedoch spätestens mit Beginn der hawaiianischen Filmindustrie abgekommen, die längst zu einem bedeutenden Wirtschaftsfaktor geworden ist. Kein Wunder, Hawaii ist eine beliebte Filmkulisse und war Drehort zahlreicher Filmproduktionen wie „Jurassic Park“ oder ­„Magnum“, „Baywatch“ oder „Blaues Hawaii“ mit Elvis Presley, der dort auch ein wenig Ukulele gespielt hat, was sonst.

Waikīkī war früher ein Rückzugsplatz für Mitglieder der königlichen Familie, um dort Surfen zu lernen. Heute ist es ein glamouröser Badevorort von Honolulu, mit vier Kilo­meter Strand, hohen Palmen und noch höheren Hochhäusern, Hotels und Apartmentblocks. Die Skyline ist imposant, vor allem vom Gipfel des Diamond Head gleich nebenan – eine 232 Meter hohe Tuffsteinformation über einem erloschenen Vulkankrater, deren glitzernde Calcit-Einsprenkelungen einst von Seeleuten für Diamanten gehalten wurden. Über asphaltierte Geh­wege, Tunnel und Leitern kommt fast jeder in den grasbewachsenen Krater hinein und dann hinauf, dem ein wenig Schweiß nichts ausmacht, denn Schatten gibt es keinen.
Bereut hat es noch niemand, denn die Belohnung ist der Blick auf fantastische Farbenspiele von türkisen Küsten weit unten und tiefgrünen, meist wolkenverhangenen Hängen erloschener Vulkane im Landesinneren.
Noch weiter im Norden geht’s im Winter rund, wenn sich die internationale Surferelite bei bis zu 15 Meter hohen Wellen ein Stelldichein gibt. Dann sinkt die mittlere Wassertemperatur auf 24 Grad, die Lufttemperatur beträgt durchschnittlich 27 Grad – es gibt unwirtlichere Regionen im Jänner. Sommers ist an der Nordküstevv Matsumoto Shave Ice“ abgesehen: Rasiereis ist eine ­hawaiianische Spezialität, bei der Eis von Eisblöcken geraspelt und mit Sirup und Geschmacksstoffen in bunten Farben verfeinert wird.

Die Bauernmärkte bieten eine Vielfalt an Früchten: Mango, Passionsfrüchte, Ananas, Papaya, Jackfruit u. v. m. © Spreitzhofer

Die meisten Touristen residieren in Waikīkī, wo allein die Buchungsplattform booking.com 688 Unterkünfte auflistet, die jedoch über viele Monate großteils ausgebucht sind. Dort, am Kuhio Beach, thront die Statue von Duke Kahanamoku, inmitten von Palmen und langen Reihen von Surfboards, die spätestens zu Mittag verliehen oder reserviert sind. Duke ist dreifacher Schwimm-Olympiasieger für die USA, Begründer des modernen Surfsports und langjähriger Sheriff von Honolulu – er ist eine polynesische Legende, seine Statue meist mit Blumenkränzen dekoriert, und für Selfies davor kann die Warteschlange auch Dutzende Meter lang sein. Geboren wurde er 1890 noch im Königreich Hawaii, denn die Inselkette wurde erst acht Jahre später von den Vereinigten Staaten annektiert und 1959 als State of Hawaii zum 50. Bundesstaat der USA, 3.700 Kilometer oder fünf Flugstunden von der amerikanischen Westküste entfernt. Die Landfläche der 137 Inseln und Atolle zusammen ist etwa doppelt so groß wie das Bundesland Salzburg, bewohnt sind allerdings die wenigsten.

Schönheit hat ihren Preis

Oben: Surfen auf Hawaii ist kostspielig für all jene, die noch zu lernen haben: Eine Surfstunde mit Lehrer kostet 135 Dollar. © Spreitzhofer

Es gibt kein Bier auf Hawaii, vermutete zumindest Paul Kuhn in seinem Schlager-Hit 1963. Das mit dem Bier hat sich geändert, sollte es je so gewesen sein. Und geändert hat sich auch sonst so einiges an der Nordostspitze Polynesiens, die landläufig immer noch zu den Südseeinseln gezählt wird. Die hießen früher Sandwich-Inseln und Aufenthalte waren wohl etwas preiswerter als heutzutage: In den ABC-Stores, die in Strandnähe alle paar Hundert Meter exakt das gleiche Angebot an Hawaii-Shirts, Beach Sarongs und Plastikblumenketten haben, gibt es auch Lebensmittel. Eine Gallone Milch etwa, um neun Dollar. Oder Toastbrot um wohlfeile sechseinhalb Dollar die Packung. Eigentlich eh recht billig, denn eine Kugel Eis am Strand kostet deutlich mehr. Die Japanerinnen mit ihren Dior-Handtäschchen, die sich mit barfüßigen, gut gebauten Beachboys mit Board auf den Gehsteigen drängen, scheint das nicht zu stören.

Schönheit hat ihren Preis, den sich nicht alle mehr leisten können – oder wollen. Und so ist O’ahu seit 2010 zum Abwanderungs­gebiet geworden. „Die Lebenshaltungskosten sind einfach zu hoch“, sagt Sam, der junge Surfboardvermieter, der 35 Dollar Leihgebühr pro Stunde verlangt. Dafür ist der tägliche Sonnenuntergang in Waikīkī gratis, wenn sich nicht gerade wieder eine Wolkenbank am Horizont ins Geschehen oder eine mormonische Großfamilie aus Salt Lake City ins Bild drängt. Oder ein Trupp Surfanfänger, die für eine einzige Surfstunde jeweils 135 Dollar hinblättern. Abends kann es jedenfalls eng werden am Strand. Schnorchelparadiese wie Hanauma Bay, die längst gebühren- und reservierungspflichtig geworden sind, werden oft wegen Überfüllung lange vor Mittag geschlossen – in Waikīkī kann das nicht passieren. Aber allein werden Sie dort nie sein. Menschenleerere, idyllischere Strände sind ostwärts zu finden: Waimānalo oder Lanikai Beach bei Kailua etwa, der von National Geographic unter die Top 5 der weltweit besten Strände gereiht wurde.

Die Nachfrage an polynesischem Urlaub scheint ungeheuer, nicht nur vom amerikanischen Festland aus. ­Allein O’ahu verzeichnet jährlich sechs Millionen Touristen. Wer darauf einen heben will, geht – erraten – zu ABC, kauft ein paar Flaschen Bier und prostet an. Duke hätte das wohl gefallen. Und Paul Kuhn hat sich jedenfalls ­geirrt. Aloha, Hawaii!

Von Günter Spreitzhofer

INFO

Auf O’ahu sorgt das öffentliche Busnetz TheBus für günstige Mobilität auf der Insel. Ein Leihauto, sofern man eines ergattert, kostet ca. 150 Dollar pro Tag.
gohawaii.com

 

Beitragsbild: Spreitzhofer