Angelika Loderer: Boden-Schätze und Naturfunde

Angelika Loderer: Boden-Schätze und Naturfunde
Solo Show im Belvedere 21, New-York-Stipendium vom Bundesministerium und eine Ausstellungsfülle, die ihresgleichen sucht: Die gefragte Steirerin Angelika Loderer macht in ihrer Kunst Unsichtbares sichtbar und verewigt Eis.

Time trap (embrace), 2023, Aluminium: Bei diesem Wachsausschmelzverfahren werden die Schichten nach einem Zufallsprinzip aufgetragen.

Dieser Frühling hat es in sich für die heimische Künstlerin Angelika Loderer: Die Ausstellungseröffnungen führen die Bildhauerin von ihrer Wahlheimat Wien, wo sie in mehreren Shows vertreten ist, nach Salzburg, Madrid und Paris. Im Herbst geht es nach Linz und im Jänner 2025 zum viermonatigen Stipendium nach New York. „Es läuft“ also bestens für die gebürtige Feldbacherin, die nicht nur gekonnt den Skulpturenbegriff dehnt, sondern inhaltlich mit ihren Werken den Nerv der Zeit trifft und mit dem Wachsen und der Vergänglichkeit (in) der Natur arbeitet. Wir baten Angelika ­Loderer zum VIA-Gespräch.

Ihre Familie besitzt eine Kunstgießerei in Feldbach, aber die Kunst war nicht der ursprüngliche Plan – wie kam es dazu?

Mein Studium für Sportwissenschaften in Graz hat mich für zwei Semester nach Arkansas gebracht, wo ich auf dem Liberal Arts College an einem Skulpturenkurs teilgenommen habe. Dort habe ich Schwarz-Weiß-Fotografie gemacht und es gab eine Kunstgießerei, in der man vieles ausprobieren konnte. Anschließend habe ich mich in Wien an den Unis beworben und in der Skulpturenklasse bei Erwin Wurm auf der Angewandten fünf Jahre studiert und parallel meine Diplomarbeit geschrieben.

Wie Erwin Wurm pflegen Sie einen von Freiheit geprägten unkonventionellen Zugang zur Bildhauerei. Haben Sie jemals „klassisch in Stein gemeißelt“?

Nein, in meinem Werk geht es darum: Was kann Skulptur sein? Ich verwende schon klassische Techniken und Materialien, es geht um Positiv und Negativ, um Abwesenheit und Anwesenheit, um Wertzuschreibung und Vergänglichkeit. Das Ephemere, Flüchtige, ein bissl – es ist alles angelehnt an die Moderne, aber es gibt auch Überschneidungen zur Natur.

Schüttloch (6), 2012, Aluminium: Beim Ausgießen der Wildtiergänge macht die Künstlerin das unsichtbare Natürliche begreifbar – in einer Negativform.

Liegt hier auch eine Liebe zur Natur begründet, vielleicht durch die Kindheit auf dem Land?

Ich bin auf dem Land immer draußen gewesen, fand schon als Kind Biologie spannend, eine gewisse Feinfühligkeit für Zusammenhänge war immer da, ökologische Kreisläufe
interessieren mich. Das Bodenthema hat mich früh interessiert – vielleicht erst gar nicht so bewusst. Meine Arbeiten sind intuitiver entstanden. Es ging mir nicht darum, eigene Formen zu schaffen, sondern eher darum, Formen zu finden. Etwas eine Sichtbarkeit zu geben, das für viele nicht so im Bewusstsein ist. Ob das nun diese Maulwurfslöcher sind oder das Pilzmyzel, das ja auch unter der Erde ist – ein Riesennetzwerk. Und es geht da auch um Verfall und Verlust in meinen Arbeiten.

Ist in diesem Sichtbarmachen auch ein Engagement für das Faszinierende, Wertvolle der Natur begründet?

Ja, doch, das geht schon sehr stark in diese Richtung, eine Bewusstseinsbildung – in den Pilzbildern sind ja auch oft Pflanzen­arten, die vom Aussterben bedroht sind, das Pilzmyzel „frisst“ das Bild auf, es geht um Vergänglichkeit. Es ist ein Aufmerksam­machen auf das ökologische System, wie kostbar und biodivers alles ist.

Ihre Arbeiten mit dem Pilzmyzel haben etwas Laborhaftes an sich – Kunst und Natur als Versuchsobjekte. Wie viel work in progress steckt in diesen Kunstwerken?

Ich glaube, es ist viel das Prinzip von Zufall und Kon­trolle – ich weiß ja auch nicht, was bei den Pilzbildern rauskommt. Ich zeige auch bei Ropac in Paris größere Pilzbilder, die wachsen vor Ort und ich weiß nicht, was dabei rauskommt – es ist ein Prozess. Eine Art Terrarium, wo man die Natur zu sich nach Hause holt. Ähnlich der Aquarien im 18. Jahrhundert, wo man versucht hat, das Exotische nach Hause zu bringen, zu beobachten und zu domestizieren. Bei den Pilzen entscheide ich mich auch irgendwann, den Prozess anzuhalten, und sie trocknen dann aus. Dann ist der Prozess fertig und somit auch wieder die Kontrolle drin.

Diese Werke verändern sich also noch im Laufe einer Ausstellung?

Ja! Und das Scheitern spielt da auch mit – ich versuche, es einfach laufen zu lassen und dann damit okay zu sein, wenn es einmal nicht funktioniert. Es geht mehr um das Konzept und ist damit auch eine mehr konzeptuelle Arbeit.

Animate, 2020, Schuh, Pilzmyzel, Holz: Die Geschichte von Verfall und Wachstum webt Angelika Loderer in dieses Werk, das in den Ausstellungen zum Teil noch „lebt”, also wächst und gedeiht. Bis die Künstlerin selbst den Prozess stoppt.

Ist das Material – wie etwa Sand, Wachs, Metall, Pilzmyzel – immer Ausgangspunkt oder auch mal die Idee, ein Thema?

Der Gedanke, was Skulptur sein kann, treibt mich an und dabei sind es klassische bildhauerische Techniken und Materialien, die mir bei der Formfindung helfen.
In einer prekär geprägten Zeit, wo der Notfall zur Norm geworden ist, entstanden dabei fragil anmutende und ephemere Skulpturen, die Momente der Neugierde und einen spielerischen Zugang in sich bergen. Wohl wissend, wie sich Skulptur in der Kunstgeschichte entwickelt hat, geht es für mich auch darum, Material und seine Eigenschaften auszuloten. Die meisten Arbeiten entstehen aus Skizzen und werden dann erst umgesetzt, da vieles geplant werden muss für die Zusammenstellung großer Skulpturen, edler Materialien und aufwendigen Handwerks. Für mich braucht es eine gute Mischung aus dem richtigen Know-how und einer Idee im Kontext zeitgenössischer Kunst.

 

Von Claudia Taucher

Aktuelle Ausstellungen –
Auswahl:

– Soil Fictions. Solo Show & Book Launch. Belvedere 21, Wien. Bis 15. September 2024. belvedere.at
– The Beauty of Diversity.
Group Show. Albertina Modern, Wien. Bis 18. August 2024. albertina.at
– 20 Years Verbund Collection. Group Show. Albertina, Wien.
Bis 5. Mai 2024. albertina.at
– Playing Rules! The Collections. Group Show. Museum der Moderne, Salzburg.
Bis 1. September 2024
museumdermoderne.at
– Solo Show. Sophie Tappeiner, Wien. Dezember 2024
sophietappeiner.com

 

Beitragsbilder: Angelika Loderer