Filmland Steiermark: Girardi und Thaliwood

Filmland Steiermark
Wussten Sie, dass schon in den 1920er-Jahren Filme über die Mur flimmerten und im Grazer Annenhofkino einst ein Orchester die Filme begleitete? Die Ausstellung „Film und Kino in der Steiermark“ entführt höchst faszinierend in längst vergangene Zeiten.

Wenn wir heute ein Kino besuchen, wird der Abend oft mit einem Abendessen im Filmcenter eingeläutet, Popcorn und Soft Drinks begleiten den Film und danach spielt man vielleicht noch eine Runde Bowling. Die früheren Kinoerlebnisse in der Steiermark waren solchen Event-Abenden nicht unähnlich: Die ersten Filmvorführungen wurden von Schaustellern organisiert, die mit ihren Filmen als Wanderkino auf Jahrmärkten und Volksfesten gastierten. Sie hatten ein gekauftes Repertoire an Filmen – einen Verleih gab es Ende des 19. Jahrhunderts noch nicht – und tingelten mit einer eigenen Lichtmaschine von Ort zu Ort. „Besonders faszinierend für die Menschen war damals nicht nur der Film, sondern auch die elektrische Beleuchtung. Damals war die Steiermark noch nicht elek­trifiziert“, erzählt Maria Froihofer, Kuratorin der aktuellen Ausstellung „Film und Kino in der Steiermark“. Die Chefkuratorin im Museum für Geschichte führt uns durch die Schau und weiß unfassbar viel zum steirischen Filmschaffen und der Kinoentwicklung zu erzählen.

„Im Grazer Thaliwood-Studio wurde die gesamte Schönbrunner Gloriette nach­gebaut.“ Maria Froihofer, Kuratorin der Ausstellung

Der Film wird sesshaft

Filmland Steiermark

Das Grazer Annenhofkino fasste in den 1920er- Jahren bereits 1000 Menschen – ein Orchester begleitete die Filmvorführungen.

Die erste Filmvorführung in der Steiermark gab es am ­16. September 1896 in Leoben im großen Saal des Hotels Zur Post und zeigte eine Brückenszene in London. Der Physiker Charles Crassé führte diesen „Chinamatograph“ (sic!) vor. Übrigens neun Monate nach der ersten Film­vorführung in Paris durch die Brüder Lumière.

Unter alten Filmen stellt man sich meist Schwarz-Weiß-Stummfilme vor – doch tatsächlich sah ein Kinobesuch durchaus ­farbig aus, denn die Filme wurden zum Teil koloriert bzw. viragiert. Letztere Technik färbte einen ganzen Film in einer Farbe ein und die Streifen wurden auch mit Musik bzw. Ton begleitet. „In der Ausstellung haben wir alle Filme vertont“, erzählt Froihofer, die gemeinsam mit Karl Wratschko 125 Jahre steirische Film- und Kinogeschichte in dieser umfang- und abwechslungsreichen Schau erzählt. Früher lief neben dem Projektor oft eine Schallplatte oder es spielte sogar ein großes Orchester im Graben vor der Leinwand, um die Szenen ­dramatisch, spannungsreich oder gefühlvoll zu unterstreichen. Auch zum Beispiel im Grazer Annenhofkino, das in den 1920er-Jahren bereits 1000 Menschen fasste, spielte ein großes Orchester, wenn sich die Damen und Herren zur Wochenschau vor dem Spielfilm trafen. Die fixen Kinostandorte waren entstanden, weil der Filmverleih dies möglich machte; aufwendige Wander­kinos waren damit nicht mehr notwendig. Oskar Gierke eröffnete 1906 das erste ortsfeste Kino der Steiermark, das sich das „Grazer Bioskop“ nannte. Eine Filmvorführung wusste damals immer mehrere Aspekte zu bedienen: Die Besucher konnten fix mit Aktualität, Spektakulärem und/oder Humoristischem rechnen und der Film war eingefärbt.

Eine weitere spannende Entwicklung war die Entstehung des Starkults: Anfang des 20. Jahrhunderts waren auf den Filmplakaten dann nicht nur die Filmtitel vermerkt, sondern zunehmend auch die Schauspieler – der Starkult war geboren. In Graz war zu Kino-Anfangszeiten Alexander Girardi ein großer Filmstar. Er spielte etwa im Film „Der Millionenonkel“ insgesamt 30 Rollen!

Steiermark als liebliche Kulisse

Filmland Steiermark

Der Film „Mazurka” mit Willi Forst stammt aus dem Jahr 1935. Hier machte Eugen Hauber Werbung für das Tonkino Andritz.

Selbstverständlich zeigt die Ausstellung zahlreiche Ausschnitte aus Filmen – sowohl aus Spielfilmen als auch Propaganda- und Werbefilmen sowie Amateurfilmen. In den 10er-Jahren wurde die Steiermark als liebliche Kulisse für typische Eskapismus-Filme entdeckt: Das Ausseer Land beispielsweise spielte eine große Rolle als spektakulärer und idyllischer Drehort.

Ebenso herausragend war das „größte Freiluftkino der Welt“ über der Mur, das heute an die Filmvorführungen auf der Murinsel erinnert. Der steirische Filmpionier Fritz Muchitsch strahlte in den 20er-Jahren vom Dachgeschoss des Hotels Wiesler Filme über die Mur aus – die Leinwand befand sich über dem Lederhaus Schuster. Er finanzierte dies voll und ganz über Werbung. Aus den 20er-Jahren stammt ein Imagefilm über die Aufbauarbeiten in der Stadt Graz von Muchitsch, der zum Teil ebenso in der Schau gezeigt wird. Der auf leicht entzündlichem Nitrofilm produzierte Streifen wurde im Schloßberg gelagert. Teile des Films waren auf Flohmärkten aufgetaucht.

Propaganda und 30.000 Amateurfilme

Auch die Filmpropaganda im Dritten Reich ist gut dokumentiert. Dazu gesellen sich in der Ausstellung zum Teil qualitativ hochstehende Amateurfilme, die sehr unmittelbar zeigen, wie „Herr und Frau Österreicher“ in der Nazi­zeit wanderten und feierten. Im Jahr 2020 waren viele Steirerinnen und Steirer dem Aufruf gefolgt, historische Amateurfilme einzusenden – einige von ihnen erweitern diese Ausstellung um interessante Perspektiven. „Wir sind noch immer daran, die insgesamt 30.000 eingesendeten Filme zu sichten und zu digitalisieren“, erzählt Maria Froihofer von ihrer Arbeit im Museum für Geschichte.

Im Dritten Reich dienten mindestens 90 Prozent der Filme der Unterhaltung und Ablenkung. Das Filmgeschehen stand unter staatlicher Kontrolle und so war die Wochenschau hauptsächlich eine Legitimation des Austrofaschismus. In dieser Zeit taten sich drei steirische Filmdiven hervor: Lizzi Waldmüller, Jenny Jugo und Trude Marlen gehörten zu jenen, die für die heile Welt zwischendurch von den Leinwänden strahlten.

Thaliwood und die große, weite Filmwelt

Filmland Steiermark

Die Ausstellung „Film und Kino in der Steiermark” zeigt Filmausschnitte, Plakate, Fotos und auch die „Hardware”–
historische Filmkameras.

Nach dem Zweiten Weltkrieg war es besonders wichtig, eine neue österreichische Identität zu kreieren; Film und Kino erlebten einen großen Aufschwung. So entstand 1947 in einem leeren Flugzeughangar am Grazer Flughafen Thalerhof das große AFA-Filmstudio, das nicht nur regionale Produktionsfirmen nutzten, weil die Miete im Vergleich zu Wiener Studios mit 12.000 Schilling um die Hälfte billiger und reichlich Platz vorhanden war. So entstanden im sogenannten „Thaliwood“ 17 größere Spielfilme, darunter beispielsweise „Der Förster vom Silberwald“, und „es wurde für eine Produktion die gesamte Schönbrunner Gloriette nachgebaut“, weiß Froihofer zu erzählen.

Thaliwood schloss jedoch bereits 1953 wieder, als der Flugbetrieb erneut voll angelaufen war – das Drehen war schließlich nur ohne Flugzeuglärm möglich.
Anfang der 1960er-Jahre hatte die Steiermark mit 200 ­Kinos einen absoluten Höhepunkt erreicht! Mit Auftauchen der Mehrsaalkinos begann jedoch das Kinosterben. Heute verzeichnet die Steiermark 14 Kinostandorte.

Kultstatus und Filmaufschwung

Was das Filmschaffen anbelangt, gab es in der Steiermark seit 1980 durch die Förderungen wieder Aufschwung: „Das machte es möglich, sich im Film wieder künstlerisch auszudrücken – gut, dass es das gibt“, bekräftigt Froihofer.

So machten sich Alfred Ninaus, Karin Brandauer und Willi Hengstler mit Autorenfilmen einen Namen, bevor mit dem Regisseur Michael Glawogger († 2014) und ­Michael Ostrowski als treibender Kraft ab den 2000er-Jahren dann wahre Kassenschlager in die Kinos kamen: Die Trilogie „Nacktschnecken“, „Contact High“ und ­„Hotel Rock ’n’ Roll“ hat genauso wie „Die unabsichtliche Entführung der Frau Elfriede Ott“ mit schrägem Humor Kultstatus erreicht. Möge der Höhenflug anhalten – und die sehenswerte Ausstellung im wunderschönen Museum für Geschichte in Graz noch viele Besucherinnen und ­Besucher ansprechen.

 

Info

Film und Kino in der Steiermark
Museum für Geschichte,
Sackstraße 16, 8010 Graz
Bis 8. Jänner 2023, Di.–So.,
Feiertag 10–18 Uhr
museumfürgeschichte.at

 

 

von Claudia Taucher