Grönland: im Land von Inuit und Wikinger

Grönland: im Land von Inuit und Wikinger
Eine Reise in das Land der Eisberge und Gletscher: in zwei Wochen von Islands Hauptstadt Reykjavík bis über den Polarkreis entlang Grönlands wilder Westküste.

Grönland ist die größte Insel weltweit – und eine Welt der Extreme. 2.166.086 Quadratkilometer groß, 80 Prozent der Landfläche sind von bis zu 110.000 Jahre altem Eis bedeckt, an manchen Stellen noch bis zu drei Kilometer dick! Ein Großteil der 56.000 Grönländer lebt entlang der Süd- oder Westküste, dort sorgt der Grönlandstrom für angenehmeres Klima. Die Temperaturen erreichen im Süden sommerliche 10 bis 15 Grad, im Winter sind bis zu minus 40 Grad keine Seltenheit. Die Orte haben keine Straßenanbindung zueinander, sie sind im Winter oft monatelang von der Außenwelt abgeschnitten. Trotzdem reicht die Siedlungsgeschichte etwa 4.500 Jahre
zurück. Eisberge, Einsamkeit, Gletscher, eine vielfältige Geschichte und wilde Tiere locken also für eine Ent­deckungsreise – am besten mit dem Expeditionsschiff mit vielen Landgängen.

Expeditionskreuzfahrt mit der Sea Spirit.

Mit dem Boot geht es durch ein Chaos an Eisbergen vor Ilulissat. Der kleine Ort Ilulissat beherbergt mit dem Kangia-Eisfjord ein UNESCO-geschütztes Naturwunder.

Die Tour ­beginnt mit einem kurzen Stadttrip im isländischen Reykjavίk. Dann heißt es Kurs auf Grönland. In zwei Seetagen – mittlerweile sind Wale, Delfine und Seevögel unsere ständigen Begleiter – bereitet das Expeditionsteam der Sea Spirit in der gemütlichen Oceanus Lounge mit feinen Vorträgen auf die ersten Landgänge vor. Flora, Fauna, Leben und die Geschichte von Grönland werden thematisiert. Nicht unwichtig – Bordsprache ist neben Englisch auch Deutsch! Und natürlich bleibt Zeit, die 90 Meter lange, 114 Gäste fassende Sea Spirit kennenzulernen. Sie ist in der Arktis und Antarktis unterwegs, die Größe dieses klassischen Expeditionsschiffes ist ideal für längere Nordlandreisen. Der Spruch „Klasse statt Masse“ wird an Bord gelebt. „Unsere Schwerpunkte liegen in Wissensvermittlung, informativen Landgängen und kleinen Wandertouren, weniger in Animation. Organisationsgeschick, gute Vortragsqualität und viel Nähe zu unserer Passagierfamilie gehören zum Job“, lässt die schwedische Expeditionsleiterin Ida Ollsen wissen. Das ist spürbar und notwendig, gilt es doch, die Ansprüche von nicht gerade preisgünstigen Expeditionskreuzfahrten gut zu erfüllen. Dazu meint sie lächelnd, „Eines müssen die Nordlandreisenden aber selbst sehr rasch akzeptieren: Reise- und Tagespläne sind in Grönland immer vom Wetter abhängig.“

Grönland und Wikingerland in Sicht.

Die Sea Spirit umrundet Kap Farewell, den südlichsten Punkt Grönlands, und legt in der südlichsten Stadt an. Welcome in Nanortalik (übersetzt „Ort der Eisbären“)! Das Städtchen liegt an der Mündung des spektakulären Tasermiut-Fjords, umgeben von steilen Bergen. Willkommen in der Einsamkeit! Schule, Kindergarten, Spital, Elektrizitätswerk und Shop gehören zur örtlichen Infrastruktur, per Helikopter ist man an die Umwelt angeschlossen. Das örtliche Freilichtmuseum führt uns die faszinierende Besiedlungs­geschichte vor Augen. „Die Inuit hatten bereits ab ca. 2500 v. Chr., von Kanada aus kommend, Grönland für sich entdeckt. Ab dem 10. Jahrhundert folgten die Nordmänner und Europäer im Süden“, erklärt der englische Guide Ryan. Das Schiff folgt jedenfalls den Spuren der Wikinger und Erik dem Roten auf der Fahrt nach Norden. „Erik musste ja Island wegen Mordes drei Jahre verlassen, hat hier eine neue Heimat gesucht und das grüne Land (Grönland) erkundet“, erzählt Ryan.

Hauptstadt Nuuk.

Die Sea Spirit auf arktischer Fahrt: Landgänge und Zodiacfahrten bereichern das Ausflugsprogramm.

Nuuk (Inuit für „Landzunge“), der größte Ort Grönlands mit 16.500 Einwohnern, wirkt ein wenig städtisch, ist aber genauso von wilder Natur umgeben. Hier trifft Tradition auf moderne Kultur. Kaffeehäuser, Shoppingcenter und ein Kulturzentrum repräsentieren das moderne Grönland, die bunten Holzhäuser der Altstadt zeugen von der Vergangenheit. Nicht weit davon ragen potthässliche Betonwohnblocks in den Himmel, bieten Platz für Zuwanderer aus den kleinen, einsamen Kommunen.
Nuuk wurde Anfang des 18. Jahrhunderts vom dänischen Missionar Hans Egede gegründet. Fast ein Drittel aller Grönländer lebt hier. Nuuk ist Marktstadt, Universitätsstadt und Verwaltungszentrum, es hat eine rege Kultur- und Musikszene. Grönländisches Bier gibt’s in der lokalen Brauerei Godthaab Bryghus. „Es gibt Buslinien und seit einigen Jahren sogar Verkehrsampeln. Weit kommt man jedoch nicht mit Bus oder Auto, Überlandstraßen sind in Grönland unbekannt“, erklärt Ida und fährt fort: „Ihr müsst unbedingt das Nationalmuseum mit seinen Mumien besuchen.“ Ein modern gestaltetes Museum erwartet uns mit einem moderneren „Ötzi-Fund der Arktis“. Und zeigt die berühmten Mumienfunde von Qilakitsoq (übersetzt „der nur wenig Himmel hat“) an der Westküste Grönlands. 500 Jahre lagen sie in einer Felsgrotte, wurden 1972 zufällig entdeckt und waren sofort begehrtes Forschungsobjekt. Allein durch die Kleidungsstücke konnten viele Rückschlüsse auf die Thule-Inuit um 1500 gewonnen werden.

Kaffeekultur und Moschusochsen.

Für „Polarneulinge“ ist es ein großer Moment, in die Welt der Mitternachtssonne im Sommer (oder immerwährender Dunkelheit im Winter) einzutauchen. 40 Kilometer vor dem Städtchen Sisimiut wird der Polarkreis überquert. Hartgesottene Schiffsreisende nehmen über dem Polarkreis ihren „Polar Plunge“, ein arktisches Bad im Badedress zwischen schwimmenden Eisbergen.
Sisimiut ist eine moderne Siedlung, doch die Wurzeln reichen 4500 Jahre zurück. Das Kulturzentrum ist also ein Muss-Besuch. Für robuste Trekker wartet hier der knackige 150 Kilometer lange Arctic Circle Trail. Endstation ist idealerweise der internationale Flughafen von Kangerlussuaq. Die Wildnis beginnt jedenfalls hinter dem letzten Haus, auch bei den Wandertouren vom Schiff aus. „Besucher auf Grönland sind von der Artenvielfalt von Flechten, Moosen und Sträuchern überrascht, genauso von der Vielfalt an arktischen Tieren. Moschusochsen, Polarfüchse, Polarwölfe, Rentiere und Schneehasen haben hier ihren natürlichen Lebensraum und ihr arktisches Zuhause. Und natürlich der große Chef – der Eisbär“, berichtet die Schwedin Ida.

Aug in Aug mit den Eisriesen.

Grönlands Hauptstadt Nuuk beherbergt über 15.000 Menschen. Seit einigen Jahren gibt es hier die ersten Verkehrsampeln von Grönland. Das alte Nuuk am Meer begeistert mit den typischen Holzhäusern.

Absoluter Höhepunkt der Reise sind die Diskobucht und die Gegend um Ilulissat. Der „eisige Schatz“ schlummert einige Gehminuten außerhalb der Stadt: der gigantische Eisfjord Kangia! Landeinwärts gibt der Sermeq-Kujalleq-Gletscher unglaubliche Eismassen frei, die sich meerwärts schieben und aufstauen. Der 40 Kilometer lange und sieben Kilometer breite Fjord gehört seit 2004 zum UNESCO-Weltnaturerbe. Dieses einzigartige Naturspektakel lässt sich zu Fuß, vom Boot aus und aus der Luft per Sightseeing-Flug erleben. Für alle Varianten gilt: „Must do!“ Unvergessliche Anblicke mit Fünf-Sterne-Status lassen sich wandernd entlang des Fjordweges erleben.
Noch imposanter sind Bootsfahrten in das schwimmende Gletscherchaos. Wir sind sprachlos inmitten von majestätischen Monstereisbergen, die uns bis zu 100 Meter überragen. Der Mensch ist hier ein Zwerg. Stille und Demut werden plötzlich von gewaltigem Getöse unterbrochen, ein Eisblock bricht und kippt. Es ist ein grandioser Anblick – im Sicherheitsabstand! Dann die nächste Sichtung – Wale mitten im Eisfjord! Eine Gruppe gleitet ­gemächlich am Zodiac vorbei und die Riesensäuger zeigen beim Abtauchen spektakulär die riesigen Schwanzflossen. Hundertfaches Kameraklicken, besser geht nicht.

Goodbye, Arktis!

Sehr atmosphärisch und ein wenig wehmütig ist das Rausgleiten aus der Disko­bucht – mit „Farewell Drink“ in der Hand. Wir sind zwar weit entfernt von Karibik und Cocktailstimmung, aber der Barkeeper ist erfinderisch. Die Eiswürfel kommen „taufrisch“ vom schwimmenden Eisberg. Längst sind viele Reisende vom Nordlandvirus befallen. Einsamkeit, Lichtstimmungen, Stille und die Übermacht der Natur faszinieren. So bleibt der Wunsch, die noch wildere und fast menschenleere Ostküste Grönlands mit gigantischen Fjorden und den größten Nationalparks der Welt kennenzulernen. An diesem „Ende der Welt“ geht das Team der Sea Spirit ab dem Spätsommer auf Entdeckungsreise.

Hier bereiten sich festlich gekleidete Frauen auf eine Inuit-Hochzeit vor.

Natürlich ist der Klimawandel das große Thema der Reise.

Viele der Guides arbeiten in der Forschung, haben fundierte Informationen und leben in der Arktis. „In Grönland könnte der Anstieg der Lufttemperatur doppelt so schnell vor sich gehen wie im globalen Schnitt. So ist nachweisbar, dass sich die Lebensräume vieler Tier- und Pflanzenarten verschoben haben“, erklärt der niederländische Ornithologe Ab. „Dem Eisbären fehlen zunehmend die Eisschollen. Andere Arten werden von aus dem Süden vordringenden Pflanzen und Tieren verdrängt.“
Klar ist, dass sich die Sea Spirit umweltfreundlichen Auflagen unterwirft. Alle Teilnehmenden sind ohnehin Botschafter für einen behutsameren Umgang mit der Natur, da alle auf dieser Reise Augenzeugen der Naturwunder wurden.

Von Sabine und Sepp Puchinger

 

Beitragsbilder: Sabine und Sepp Puchinger