Man trägt wieder „Buglkraxn“

Man trägt wieder "Buglkraxn". Foto: Kamarg
Was heißt da wieder – der Rucksack ist im Grunde ein Evergreen. Dass das auch so bleibt, dafür sorgt ein Salzburger, der das Comeback der Grazer Kamarg-Rucksäcke herbeigeführt hat.

Seit „Ötzi“ im Jahre 3300 v. Chr. seine Kraxn schulterte, lässt uns diese praktische Art, unsere sieben Sachen zu tragen und dabei die Hände frei zu haben, nicht

Man trägt wieder "Buglkraxn". Foto: Kamarg

Foto: Kamarg

mehr los. Gut so, denn am Rücken trägt man Lasten auch auf die gesündeste Art – einmal abgesehen vom Tragen auf dem Kopf, das sich in unseren Breiten jedoch nicht durchsetzen konnte.

 

Ein damals in der Grazer Griesgasse beheimatetes Familienunternehmen hatte sich 1949 tatsächlich das Prinzip der alten Kohlenkraxn abgeschaut und  entwickelte daraus robuste Rucksäcke aus Segelstoff mit Leinenriemen. Der Begründer Georg Margutsch, ein Tapezierer, erlebte bis in die späten Achtzigerjahre mit der Marke Kamarg (die Abkürzung für Karl Margutsch) einen Riesenerfolg: Täglich wurden an die 600 Rucksäcke produziert und an Wanderlustige verkauft.

Mit Billigimporten aus Asien flaute das Geschäft jedoch ab und Anfang der Neunzigerjahre musste der Betrieb geschlossen werden. Die bewegte Geschichte der Grazer Rucksäcke sollte damit aber noch nicht zu Ende sein . . .

Man trägt wieder „Buglkraxn“. Foto: Tim Dornaus

Turbulentes und erfolgreiches Comeback einer „Urgrazer” Marke: Der gebürtige Salzburger Franz Drack verliebte sich in die Kamarg-Rucksäcke und startete, zu dieser Zeit in Schweden lebend, seine Recherchen und Pläne für die Wiederaufnahme der Produktion. Die  neuen Kamargs unterscheiden sich nur in wenigen Details von den Grazer Originalen. Foto: Tim Dornaus

 

 

. . . Szenenwechsel mit Zeitensprung: Franz Drack, ein in Stockholm lebender gebürtiger Salzburger, findet 2013 auf dem Dachboden seiner Eltern einen uralten, aber intakten Kamarg-Rucksack aus dem Jahre 1954 und geht mit ihm auf Wanderschaft. Er postet Fotos auf Social Media und siehe da, die Leute sind begeistert – und zwar vom mittlerweile 60 Jahre alten „so coolen“ Kamarg-Rucksack! Der Marketingfachmann erkennt das Potenzial dieser Marke, denn so viele erinnern sich mit positiven Emotionen an Schulwandertage, an denen sie den festen Ranzen aus Leinen und Leder am Rücken trugen.

 

Drack beginnt die Firmengeschichte zu recherchieren und beschließt, die Marke Kamarg und damit den Rucksack, der dank hoher Material- und Verarbeitungsqualität über Jahrzehnte treuer Begleiter ist, wieder auferstehen zu lassen.

„Viele haben mir davon abgeraten“, erzählt Franz Drack im Interview mit VIA, „die Zeiten von Rucksäcken seien vorbei.“ Doch diese Idee sollte ihn nicht mehr  loslassen: „Ich bin ein ‚Draußen-Mensch‘, und hier habe ich auch die Möglichkeit gesehen, mein Interesse für Handwerkliches, für Fotografie und die Natur zu verknüpfen.“

Über eine Crowdfunding-Kampagne soll nach eingehender Planung am 6. Juni 2017 der Startschuss erfolgen. Das Ziel von 30.000 Euro wird weit überschritten und Kamarg damit zum erfolgreichsten europäischen Kickstarter.

„Bestellungen aus China, Japan, Kanada, den USA gingen ein und der Versand war zum Teil  eine echte Herausforderung“, erzählt der Firmenneugründer. Durch die große Nachfrage konnten nicht nur die geplanten Rucksäcke in drei Farben produziert werden, sondern bereits auch ein passender Regenschutz dazu. Die Neuauflage des Rucksacks, der heute in Portugal hergestellt wird, orientiert sich stark am Original (Drack: „Ich will nicht, dass mir der Geist vom Kamarg-Entwickler Wöllzenmüller erscheint!“) – ein Nylonfaden im Leinen macht ihn wasserabweisend, aber das unverwüstliche Kordelsystem, das einen „besseren Tragekomfort als ein moderner Rucksack“ bietet, ist gleich geblieben.

Kamarg ist „ein Hobby“ für den hauptberuflichen Marketer Drack, der mittlerweile in Wien arbeitet und in München lebt und viel  Herzblut in die Grazer Marke steckt: „Was wir verdienen, wird rückinvestiert, wir bewegen uns ganz entspannt am Markt.“ Der Kamarg mit dem Uhrturm-Logo soll weiterhin die Menschen im Alltag begleiten. Drack denkt über weitere Aktualisierungen wie zum Beispiel ein Laptopfach nach, auch Accessoires seien geplant. Begeistert zeigt sich Drack von der Mundpropaganda, die das Geschäft pusht: „Wir haben die coolsten Kunden der Welt.“ – „Die Nachfrage entsteht weniger aus Nostalgie“, analysiert er, „die Leute wollen zu alten Werten zurück und sich mit langlebigen Dingen umgeben. Es ist einfach schön, Artefakte zu schaffen, die den Leuten ein gutes Gefühl geben“, begründet er seinen persönlichen Einsatz. „Es sollte ja kein ‚Kasperlrucksack für Hipster‘ werden“, sondern eben ein Begleiter durch die vielen Abenteuer des Lebens.

Aus diesem Grund ist der Grazer KamargRucksack, der neben dem Onlineshop nur in drei Geschäften in Graz, Berlin und Wien erhältlich ist, für Franz Drack eben viel mehr als „nur“ ein Rucksack: „Es ist einfach erfüllend, wenn man von einem Abenteuer gefunden wird.“

So viel kann ein Rucksack sein

Man trägt wieder "Buglkraxn". Foto: Nest der Tiger

Foto: Nest der Tiger

Von der Stadtikone Kamarg bis zum Sozialprojekt – bei Rucksäcken kommt es immer auf den Inhalt an. Deshalb können die Jausen- und Wetterfleck-Behältnisse zum Schultern auch derart viele Geschichten erzählen: So produzierten 1400 Jugendliche in 20 Jahren mehr als 35.000 tag.werk-Rucksäcke aus Markisen und Lkw-Planen in Graz. Das Sozialprojekt der Caritas führt junge Menschen in schwierigen Lebenssituationen (wieder) in den Arbeitsprozess ein und steht ganz nebenbei für hippes Upcycling und Nachhaltigkeit. In dieselbe Kerbe – Social Business für die Jugend – schlägt heidenspass seit 2006 in Graz. Diese Upcycling-Rucksäcke sind aus Segeltuch, Fahrradschläuchen und/oder Lkw-Planen gemacht. Ebenfalls einzigartige Rucksäcke mit sozialem Background findet man im Herzlich-Laden von Jugend am Werk und bei Nest der Tiger in der Grazer Feuerbachgasse.

tag.werk: Graz, Mariahilferstraße 13. tagwerk.at
heidenspass:
Graz, Griesgasse 8. heidenspass.cc
herzlich-Laden:
Jugend am Werk, Graz,
Mariahilferplatz 3.
jaw.or.at
Nest der Tiger:
Graz, Feuerbachgasse 10 und
Murinsel.
shop.nestdertiger.com
Kamarg:
Graz Tourismus, Graz, Herrengasse 16.
kamarg.net

CLAUDIA RIEF-TAUCHER