Ohne Wirtshaus kein Fine Dine

Ohne Wirtshaus kein Fine Dine
Nur wenn das eine ins andere greift, können sich ­Philosophie und Kreativität im Hause Wörgötter entfalten. Ein weststeirisches Business-Konzept, das zu munden scheint.

Seit knapp 60 Jahren ist der altrosafarbene

Schlichte Bühne für kulinarische Auftritte: die Gaststube der Wörgötters

Gasthof Teil der Ligister Hauptplatz­kulisse. Von hier führt die Schilcherwein­straße bis nach ­Eibiswald, aber um den flüssigen Hemdenspreizer geht’s hier nicht. In der alten Gaststube ist in den vergangenen Jahren der Charme von schlichter Moderne eingezogen, ohne dabei die architektonische Tradition des Hauses abzuwatschen. ­Florian ­Wörgötter kocht im ehemaligen Tanz­lokal des Ortes nunmehr in dritter Generation – Seite an Seite mit seinem Vater ­Mathias. Nach Stationen in den österreichischen Gourmettempeln wie dem Restaurant Neuwirt im Schwarzen Adler, dem Wiener Le Ciel und bei Silvio Nickol im ­Palais ­Coburg kehrte der Sohn des Hauses während der Coronakrise zurück an den elterlichen Herd. ­Viel früher als gedacht.

„Schon als Kind war das Saucenabschmecken ein absolutes Highlight für mich.“ – Florian Wörgötter, Küchenchef

„Während der damaligen Pandemie haben zwei ausländische Mitarbeiter in der Küche beschlossen, nicht mehr in den Betrieb zurückzukehren. Als mein Papa mit Tränen in den Augen vor mir stand, war mir ­sofort klar: Family first! Ich komme nach Hause zurück“, erinnert sich Florian. Dass sich Vater und Sohn aufeinander verlassen können, spiegelt sich auch im Arbeitsalltag wider. „Ich komme aus der High-End-Küche und hatte anfangs natürlich den Anspruch, in erster Linie das zu kochen, was ich möchte“, gesteht der kulinarische Tüftler. Mittlerweile haben seine Filigranität und Pinzetten-Kunst an handwerklicher Bodenständigkeit gewonnen. „Papa hat mir die Basics wie eine perfekte Rindssuppe oder das genaue Fleisch- und Fischaus­lösen nähergebracht. Dinge, die ich in hoch­dekorierten Häusern manchmal vermisst habe. Ohne dieses Wirtshaus-Basis­essen kommt bei mir nun keinfundiertes Fine-Dine-Menü mehr aus“, lächelt ­Wörgötter junior. Sein kulinarisches Credo: Bevor ein Gericht gut aussieht, muss es gut schmecken.

Auszug aus dem Überraschungsmenü, das jede Woche rotiert. Genossen wird in fünf oder sieben Gängen, immer freitags.

Vorgezeichneter Weg

Sein Weg in die Gastronomie war vorgezeichnet. „Ich bin in diesem Haus, das damals noch meine Großeltern betrieben haben, aufgewachsen. Als Kind war das Saucenabschmecken immer ein Highlight und mir war von Anfang an klar: Ich möchte Koch werden!“ Einen Plan B gab es ohnedies nicht. „Ich lebe, abgesehen vom Kochen, in einer sehr talentfreien Zone“, grinst der 28-jährige Weststeirer. Frei von Visionen ist Wörgötter aber längst nicht: „Ich liebe es zu sehen, wie glücklich man Menschen mit gutem Essen machen kann. 2024 möchten wir unser Fine ­Dining nicht nur freitags, sondern auch samstags anbieten.“ Mit dem Bewusstsein, dass Neuerungen am Land nicht immer reibungslos passieren. „Weststeirer tun sich mit Veränderungen meist schwer, aber wenn sie den Blick vom Alteingesessenen kurz abwenden können und spüren, dass etwas Neues auch gut und garantiert nicht gefährlich ist, taugt’s ihnen eh“, grinst der Koch. Und so kommt es, dass im Wörgötter eine dekonstruierte Birne Helene oder Spanferkel-Stelze mit Roscoff-Zwiebel, Sesam und Honig auf der Karte stehen. „Aus vermeintlich einfachen Gerichten mehr herauszukitzeln, lieben wir.“

Von Tina Veit-Fuchs

REZEPT

Rote-Rüben-Rose
Zutaten für 4 Personen:
4 Stk. Rote Rüben
100 g Frischkäse
20 g Kreuzkümmel, gemahlen
200 ml Essig
200 ml Wasser
50 ml Rosenwasser
20 ml Mirin (süßer Reiswein)
20 ml Reisessig
200 ml Saft von der Roten Rübe
2 Stk. Kräuterseitlinge
20 ml Sesamöl
20 ml Sojasauce
etwas Xanthan
Salz, Zucker

Zubereitung:
Zwei Rüben mit Salz und etwas Öl einreiben, in Alufolie wickeln und ca. eine Stunde bei 170 Grad im Ofen schmoren. Die anderen beiden Rüben schälen und in sehr feine Scheiben (am besten mit der Schneidemaschine) aufschneiden. Essig, Wasser und Zucker aufkochen und über die dünn geschnittenen Rüben verteilen.
Für den Sud Rosenwasser, Mirin, Reisessig, Rübensaft und etwas Salz verrühren (wenn vorhanden, etwas Xanthan zur Bindung einmixen). Den Frischkäse mit Salz und Kreuzkümmel glatt rühren.
Die Kräuterseitlinge halbieren und in feine Scheiben schneiden. Danach in einer heißen Pfanne mit dem Sesamöl anbraten und mit Sojasauce ablöschen.

Das Rezept stammt von Florian Wörgötter.
wörgötter.at

Fotos: Die Abbilderei