Ost sagt Prost

Im Osten geht die Sonne auf – vor allem im Weinglas. Wir begleiten sechs vinophile Vulkanier durch einen Querschnitt ihrer Vielgestaltigkeit.

Begrüßungsrunde im Schloss Kapfenstein: die Winzer Simon Engel, Josef Scharl, Klaus Fischer, Stefan Müller, Michael Gangl und Gastgeber Christof Winkler-Hermaden (v. l.)

Das Schloss Kapfenstein hat seit seiner Erbauung im elften Jahrhundert unumstritten schon so einiges miterlebt. Zwischen Herz-­Jesu-Kapelle, Drachenkeller und ehemaligem Kerker finden wir uns hundert Dekaden später in der einstigen Kreitfeuerstation ein.  „Kreitfeuer“ waren früher ein Mittel der Kommunikation und um Signale geht es auch hier. Christof ­Winkler-Hermaden setzt sie. Er ist ein Teil der vier Generationen, die heute im Schloss Kapfenstein leben und arbeiten.

Mit seiner Frau Kathi ist er für die Organisation und den Vertrieb des Weinguts mit seinen biologisch-regenerativ bewirtschafteten Gärten zuständig. Nicht nur er nützt die Gunst der erloschenen Vulkane zwischen Kapfensteiner Kogel und Klöcher Hochwarth, um die salzigen, frischen und fruchtigen Aromen des Vulkanlands in Flaschen weiterzutragen. Zur VIA-Weinkost lädt Winkler-Hermaden seine Kollegen Josef Scharl, Simon Engel, ­Stefan Müller, ­Michael Gangl und Klaus Fischer ins Schloss. Mit einem prickelnd-saftigen Willkommensschluck (Riesling Brut 2021 vom Weingut Engel) groovt sich die Gruppe für einen Querschnitt ihrer vinophilen Vielfalt ein. Das ist auch nötig, denn 24 Weinproben werden folgen. Ein Best-of aus dem Osten der Steiermark.

Der Hausherr übergibt erst mal an Simon Engel, der ähnlich ruhigen Gemüts den Nachmittag einläutet. Der Quereinsteiger aus Tieschen legte erst 2006 den Grundstein für seinen Beruf und bezeichnet seine teils experimentellen Weine als „Momentaufnahmen in Flaschen“. Die Bedeutung dahinter soll Freiheit und Entwicklung suggerieren. Das mag sich in seinem Grauburgunder 2021 abbilden – etwas apfelschalig, buttrig mit leichter Süße hinten raus. Engels Chardonnay 2021 ist angenehm reduktiv in der Nase und kassiert gleich mal kollegiales Lob. „Sehr elegantes Holz“, wittert Stefan Müller. Simons Traminer Ried Klöchberg aus demselben Jahr offenbart viel Litschi und minimal Bitterorange. Ausladend in der Nase, verbirgt sich hinter der Süße eine gewisse Würzigkeit.

„Sand und ­Muschelkalk fahren voll rein – das beschreibt für mich die Richtung, wie Wein für uns schmecken soll. “ – Christof Winkler-Hermaden, Winzer und Gastgeber der VIA-Weinkost

Konzentriertes Verkosten und ehrlicher Austausch: Winkler-Hermaden, Fischer und Müller (v. l.)

Eindimensionalität ist hier nicht zu erkennen. „Wir setzen auf Herkunftsweine, die jahrgangstypisch sind, und bauen großteils in Holzfässern aus“, erklärt Klaus Fischer. So richtig beginnt die Geschichte des Weinguts Fischer in St. Anna am Aigen erst 2015: Bis dahin wird der eine Hektar Weingarten, der zur gemischten Landwirtschaft gehört, von Papa Fischer und seinem Sohn Klaus bewirtschaftet. Letzterer hängte kürzlich seinen Job als Kellermeister bei der Weinbauschule Silberberg an den Nagel und entwickelt nunmehr das Familienweingut mit Bruder Bernhard und Schwester Claudia weiter. Ihr Sauvignon blanc 2022 ist ein braves Exemplar für Steiermark-Trinker.

Mehr Spannung im Glas kommt beim Riesling Ried Stradenberg 2021 auf. Tipp: Mit etwas mehr Luft gewinnt der Wein an Präzision. Fischers Morillon Ried Schemming 2021 hat eine spontane Vergärung sowie eine 20-monatige Lagerung auf der Vollhefe hinter sich. „Schön! Der beginnt sich gerade zu zeigen“, konstatiert Winzergefährte Scharl. Es sind leise Töne, die diese Verkosterrunde begleiten. Das sei ein gutes Zeichen. „Wenn keiner redet, kann man bei einer Verkostung meist davon ausgehen, dass man geile Weine vor sich stehen hat“, grinst Michael Gangl. Kollegiales Nicken auch bei Fischers Cuveé Alte Reben 2019 (Weißburgunder, Grauburgunder und kleine Welsch-Anteile). Scharl: „Die Sorten ergänzen sich tatsächlich sehr gut.“

„Wein aus dem Osten? Das ist de facto sehr konzen­trierter Stoff aus dem Vulkanland.“ – Klaus Fischer, Fischer Weine

Das innere Auge schwenkt von St. Anna nach Klöch, wo Stefan Müller derzeit 17 Hektar konventionell bewirtschaftet. 26 Prozent Steilhang sind eine Hausnummer und Müllers Antrieb ein großer. 2022 hat er die Weingärten von Nachbar Wonisch übernommen. „In dieser Dimension wollen wir nun aber in etwa bleiben“, lächelt der Südoststeirer. Der Riesling Ried Seindl 2021 mit tänzerischem Charakter und lebendiger Mineralik begeistert die Runde. „Blitzsauber und pfeilgerade, aber noch sehr jung“, notiert Scharl. Der Weißburgunder 2020 derselben Lage wirkt noch verhalten, hat dank Tuff- und Basalt-Bodentönen allerdings noch viel Entwicklungspotenzial. Sehr fruchtig präsentiert sich Müllers Sauvignon blanc Ried Seindl 2020. Liebhaber sollten sich seinen markigen Gewürztraminer Ried Hochwarth 2020 sichern, maximal 700 Flaschen sind dieses Jahr davon verfügbar. „Angenehme Akazien­blüten“, vermerkt Fischer. „So schmeckt mir Traminer“, lobt Scharl.

„Mein Vater meinte, ich solle Tierarzt werden. Damit ließe sich mehr Geld verdienen.“ – Josef Scharl, Weinhof Scharl

Schloß Kapfenstein, VIA Weinverkostung, Winzer Südoststeiermark

„Eleganz und Trinkfluss sind für mich als Winzer das Entscheidendste“, erklärt Müller. Der Nachmittag schwillt an: Halbzeit im VIA-Verkostungsglas. Höchste Zeit für Josef Scharls Charakterweine, die dem Winzer zufolge immer eines müssen: „Ernsthaft sein.“ In jedem Fall trinkig kommt sein Pinot noir Lidlberg 2020 daher. Reduziert, filigran und komplex zugleich. Eine gelungene Umarmung von Graphit und Preiselbeere. „Endlich ein geiler Pinot aus der Steiermark!“, bricht es aus Stefan Müller heraus. Passend zu Scharls Credo: „Wein ist Emotion. Es gibt nichts Schlimmeres als Wein nach Rezept.“

Sein Chardonnay Ried Schemming 2020 ist ein Gaumenschmeichler und ein schönes Abziehbild des Terroirs. Zug am Gaumen verspricht Scharls Weißburgunder Annaberg 2020. Zum Drüberstreuen schenkt er seinen „Mann im Mond“ 2017, einen Sauvingon blanc ebenfalls vom Annaberg, ein. 28 Jahrgänge hat Scharl bereits hinter sich und das, obwohl sein Vater ihm einst riet, lieber Tierarzt zu werden. „Damit ließe sich mehr Geld verdienen, dachte er.“ Ausgerechnet im Schloss Kapfenstein begann der Familienvater mit damals 16 Jahren sein erstes Praktikum. Hausherr Christof war damals noch ein Knirps im Kindergartenalter. Fischer: „Josefs Weine sind selbsterklärend.“

Von Garagenweinen zu Olivin

Stellen Sie sich hier das Panorama von 25 Weinen vor. Fotograf Jimmy Lunghammer hatte alle Hände voll zu tun.

2017 war Michael Gangls erster Jahrgang und auch er hat einen Verbündeten in der Verkosterrunde. „Simon Engel ist mein Mentor. In seiner Garage bin ich in die Weinthematik reingewachsen.“ Auch heute bezeichnet der PIWI-Winzer seine Kreationen als „Garagenweine“, die er seit 2021 im eigenen Keller weiß. Gearbeitet hat Gangl von Anfang an biologisch. Zwischen „My Dirty Siva“, „Rumble in the Jungle“und „Out of Space“ sticht für uns sein „Whole Bunch“ hervor. Viel Säure und eine angenehme Sanddorn-Aromatik mit Fun-Faktor.

„Ich bin noch in der Sinnfindung“, erklärt Gangl seine Experimentierfreude, die ihm Exporte bis an die Ostküste der USA einbringt. Zurück zur Familie Winkler-Hermaden, die schon kurz davor ist, Backhendl zu servieren. Der straffe Sauvignon blanc Ortswein würde wohl besser zu Meeresfisch passen. Selbe Rebsorte Ried Kirchleiten 2019, betont Kühle und Säure trotz 14 Volumprozent. Ausbalanciert der Traminer Kirchleiten 2019: „Der hat von allem etwas, aber nichts zu viel“ (Winkler-Hermaden). Das Grande Finale gehört dem Olivin 2019, Blauer Zweigelt, wie man ihn aus Kapfenstein kennt. Und weil es zu schön zum Aufhören wär, folgen noch Vergleiche mit Olivin 2014 und 2010. Scharl strahlt dabei am meisten. Klaus Fischer: „Wein aus dem Osten? Das ist de facto sehr konzentrierter Stoff aus dem Vulkanland.“

 Von Tina Veit-Fuchs 

 Fotos: Jimmy Lunghammer