Pustekuchen und Blümchenkaffee

Schwungvoll in den Sommer zu starten, scheint keine allzu schwere Übung und gefällt vor allem auch unserer Verdauung.

Foto: TV Almenland/Bernhard Bergmann

Zugegeben: Es sei dahingestellt, wie viel Sexappeal eine Geschichte haben kann, die im ersten Satz bereits Ausscheidungsorgane thematisiert. Mit einem sanftmütigen Blick auf die Sommerwiese wird jedoch klar: Unserer Verdauung Gutes zu tun und gleichzeitig auf keine Genussmomente zu verzichten, kann mit einer Pflanze wie Löwenzahn funktionieren. Der vermeintliche Naturheiler Löwenzahn wird nicht von ungefähr Apothekerkraut genannt. Er besitzt viele Bitterstoffe, die Leber, Galle und unseren Stoffwechsel mögen.

Außerdem liefern seine Blätter jede Menge Vitamine, Mineralstoffe, Triterpene, Schleimstoffe, Inulin – übrigens im Herbst weitaus mehr als im Frühling – und viel Kalium. Alles in allem wirkt Löwenzahn von der Knospe bis zur Wurzel verdauungsfördernd, gallebildend, nierenanregend, leberstärkend und anti­rheumatisch. Eine Löwenzahnkur im Frühling bringt unseren Organismus in Schwung wie Miley Cyrus’ Album „Endless Summer Vacation“. Eine Pusteblume, die nahezu alle Körperfunktionen belebt. Abgesehen von ihren gesundheitsfördernden Eigenschaften: Seit Wildkräuter wieder vermehrt Einzug in Küchen nehmen, hat der Löwenzahn an Status gewonnen und wird nicht mehr mit Glyphosat aus dem Garten verbannt. Auch bei den steirischen 4-Hauben-Köchen wie Richard Rauch und Gerhard Fuchs kommen beim Blick auf gelbe Wiesen Frühlingsgefühle auf.

Löwenzahn in der Haute Cuisine

In Rauchs Vier-Jahreszeiten-Kochbuch „Frühling“ offenbart sich so manches extravagante Korbblütler-Rezept abseits des profanen Röhrlsalats: Geschmorte Lammhaxen in Rotwein, begleitet von Kartoffel-Gratin-Savoyarde mit Löwenzahn oder saftig gefüllte Eier-Palatschinken mit geräuchertem Schafkäse und Löwenzahn. Apropos bitter:  „Wer eher wenig Bitterstoff verträgt, der sollte darauf achten, nur die hellgrünen, zarten, jungen Löwenzahnblättchen zu pflücken“, rät Rauch. Letztere lieben einen leichten, sandigen Boden. Denn je älter und größer die Blätter, desto bitterer schmecken sie. Auch für die Zubereitung von Spinat oder Pesto würden sich eher junge Löwenzahnblätter eignen. Appetit auf Frischgepflücktes macht außerdem die Aussicht auf gesunde Pommes frites. Dafür werden Löwenzahnwurzeln gewaschen und rund zehn Minuten mit etwas Zucker weich gegart. Anschließend gießt man die Wurzeln ab, lässt sie kurz abkühlen und setzt die Zubereitung mit der „Panierstraße“ (Ei und Mehl) fort. Anschließend wird in Öl rausgebacken. Wahlsüdsteirer Gerhard Fuchs kitzelt in seiner Weinbank-Küche mit Löwenzahn nicht nur pikante Geschmacksrezeptoren.

„Wer wenig Bitterstoff verträgt, sollte nur hellgrüne, zarte, junge Blätter sammeln.“ – Richard Rauch, 4-Hauben-Koch

Sein Löwenzahneis – auf Basis herben Löwenzahnhonigs – wird um gebackene Löwenzahnblüten ergänzt und begleitet eine frühlingshafte Rhabarbertarte. Noch ein süßer Genuss: Löwenzahnlikör (den gibt es bereits fertig zu kaufen). Mit der Sonne im Gesicht schmeckt der goldene Sirup verdünnt im Mineralwasser oder Prosecco und pur auf Eis und anderen Desserts. „Prinzipiell ist der Löwenzahn zwar ein ultimativer Sommerbarometer, aber eigentlich ist die Pflanze das ganze Jahr über verfüg- und genießbar. Lediglich der Gehalt der Bitterstoffe und die Verfügbarkeit verändern sich“, gibt Fuchs mit auf den Weg. Eine besondere Delikatesse sind – da sind sich Rauch und Fuchs einig – Löwenzahnknospen. Diese kann man, solange sie in der Mitte der Blattrosette noch dicht am Boden sitzen, pflücken, in Öl anbraten und mit etwas Fleur de Sel würzen. Gourmets legen die Knospen zudem gerne in einen Essigsud kalt ein. Spannend ist auch der von vielen Großmüttern geschätzte Muckefuck. Der Kaffeeersatz aus gemahlenen Löwenzahnwurzeln hat jede Menge Vorteile: Er ist blutreinigend, koffeinfrei, regional verfügbar und selbst herstellbar. Für Faule gibt es bereits fertiges Pulver, etwa von Sonnentor, als alternativen Blümchen­kaffee im Regal.

Foto: Apresvino

Löwenzahneis

0,5 l Milch,  0,5 l Schlagobers, 7 Eidotter,
4 cl Grand Marnier, 200 g Löwenzahnhonig

Zubereitung: Eidotter mit Grand Marnier und Löwenzahnhonig über Dampf schaumig schlagen. Milch und Schlagobers aufkochen und zur aufgeschlagenen Masse geben. Ordentlich aufschlagen und zur Rose abziehen. Die Masse auskühlen lassen und in der Eismaschine frieren.