Tamara Kolb: Das endlich schimmernde Epos

Tamara Kolb: Das endlich schimmernde Epos
Eine, die vor ihrer künstlerischen Gabe nicht davonlaufen konnte, ist die Steirerin Tamara Kolb. Das Leben und sie selbst stellten sich mehrfach in den Weg.

Doch die Kunst bahnte sich einen glänzenden Erfolgspfad ins Dasein der Künstlerin.

© Merna El-Mohasel

Das aktuelle Gemälde „Das Geschick der Welt“ vor unseren Augen, erzählt die Künstlerin Tamara Kolb ihre verschlungenen Lebenspfade, die sie zur Kunst führten. Die Geschichte eines Menschenkinds, das viel zu früh mit Verlust und Tod konfrontiert und damit alleingelassen wurde. Die Geschichte eines Talents, das sich jahrelang in geheimen Schubladen verstecken ließ und dennoch das Licht gefunden hat. Eine Geschichte über Heilung, Kunst und Pracht, die gelebt werden wollen.

„Ich war immer die Linie“, erzählt die gebürtige Obersteirerin, deren zeichnerisches Talent früh überzeugte. Andere. Sie selbst sah sich jedoch in der Bildhauer-Klasse der Grazer Ortweinschule und saugte dort „eine Art leichtes Hippietum“ ein, erlernte zahlreiche Techniken der Bildhauerei und fühlte sich am richtigen Ort. „Nirgendwo hätte ich mich persönlich so entwickeln können.“ Dennoch wollte Kolb danach nichts mehr mit der Kunst, mit dem Kunstbetrieb, zu tun haben: „Ich habe mir die Welt mit Kunst erklärt, bin aber nicht damit klargekommen, dass sie bewertet ‚benotet‘ wird.“ Also folgten Jobs zum Geldverdienen, die auch am Rande mit Design und Kreativität zu tun hatten, und ein halbes Jahr in Austra­lien und Neuseeland. Mit im Gepäck ein Sketchbook und das Vertrauen: „Es wird schon alles gut gehen, es hat alles einen Sinn im Leben.“ Bei den neuseeländischen Huka Falls war dann diese weibliche Figur da – „ich habe sie immer wieder gezeichnet“.

„Musen, ihr Großen, ihr Schönen und Weisen … Ich male euren Atem in jedes Bild.“ – Tamara Kolb, Gedicht zum Gemälde „Flüstern der Musen”

© Merna El-Mohasel

Zurück in Graz gewann die „Künstlerin wider Willen“ einen Designwettbewerb („Ich habe in letzter Sekunde abgegeben!“) – und sie fragte sich: „Vielleicht bin ich doch für die Kunst da?“ Dann verschoben Krankheit und ein weiterer Todesfall in der Familie den Fokus, doch war es letztlich der Anblick der Endlichkeit, der Tamara Kolb zur entscheidenden Frage führte: Was, wenn du nach deinem eigenen Tod die Frage gestellt bekommst: „Was hast du mit deinem Talent gemacht?“ – „Ich war alarmiert!“
Nach ersten (erfolgreichen) Ausstellungen, zu denen sie Kollegen gedrängt hatten, nahm sie der damalige Werkbund-Präsident Curt Schnecker unter die Fittiche, der ihr künstlerisches Potenzial erkannte und förderte. Kolb: „Ich konnte damals nur kleinformatig zeichnen.“ 2015 war dann „die erste
Leinwand“ fertig, zwei Jahre später stellte Kolb in Wien aus. Die grafische Eleganz, in der Nähe von Jugendstil einzuordnen, begleitete sie von Anfang an, wechselnd kamen zur schwarzen Tusche und zum Blattgold auch (Acryl-)Farben. Immer dabei: die weibliche Figur, die manchmal Muse, manchmal Weltgeschick, manchmal Geschichtenerzählerin ist – „sie ist nie dieselbe“, klärt die Künstlerin auf.
Nachdem ihr zweiter Bruder verstorben war (den ersten hatte sie bereits im Kindheitsalter verloren), führte sie eine Zeichen­blockade erneut nach Australien. „Mein Kopf war voller Ideen, aber voller Zweifel.“ Dort erreichte sie der Kunstmanager der Grazer Bakerhouse Gallery, Klaus Billinger: Er lud sie ein, ihre Bilder in einer Ausstellung zu präsentieren. Seitdem ist endlich für sie klar, „wohin ich gehen muss“.

„Ein echter Künstler ist ein ewig Reisender“, zitiert Tamara Kolb ihren Förderer Curt Schnecker, und: „Es werden noch viele Bilder kommen.“ Sie hat begonnen, die Fläche zu erweitern, und erobert die Dreidimensionalität. Kolb schnitzt Reliefs in eine angetrocknete Paste, die sie auf ihre neuesten Gemälde aufträgt. „Die Bildhauerei war nicht ganz umsonst!“, lächelt die eigentlich Frühberufene, die jetzt beginnt, Figuren zu modellieren, und sich aktuell auch mit der alten Technik des Kupferstichs beschäftigt.
„Man malt nie allein“, ist sie überzeugt davon, dass Musen ihr künstlerisches Tun begleiten, das „aus einer Innerlichkeit heraus“ motiviert vonstattengeht.
„Es geht darum, dass man etwas Gutes in die Welt bringt“ – ob soziales, künstlerisches oder ein anderes Talent, sei letztlich egal. „Meine Kunst ist dazu da, dass eine Seele berührt und vielleicht auch heiler wird. Jedes Leben ist ein Epos. Manche sind tragisch, manche weniger. Das, was man geradetragen kann, kommt mir manchmal vor.“

Von Claudia Taucher

Tamara Kolb

Stammt aus Irdning, Obersteiermark,
lebt in Stallhofen
Ausbildung: HTBLA Ortwein Graz,
Zweig Bildhauerei, Abschluss 2001
Seit 2016 freischaffende Künstlerin,
vertreten durch Bakerhouse Gallery, Graz
Ausstellungen in Graz, Salzburg, Wien, Wiesbaden, Italien, USA

Vernissage:
Sommerfest der Kunst mit Eröffnung der Gruppenausstellung: 7. Juni 2024
Bakerhouse Gallery, Herrgottwiesgasse 125/UG, Graz
bakerhousegallery.com
tamarakolb.com